Irgendwann wird es selbst den fleißigsten Arbeitern im Weinberg des Herrn zu viel. Nach 33 Jahren und etlichen Versuchen, den Übergang elegant und im Einklang mit Rom zu regeln, hat der Grazer Diözesanbischof nun im Alleingang die Bischofsmütze an den Nagel gehängt. Der erfahrene und vor allem sonst so romtreue Gottesmann hat damit im Finale einen mutigen Schritt gesetzt. Sei es tatsächlich aus gesundheitlichen Gründen oder doch aus verständlichem Ärger über die ihm solange nicht vergönnte Kirchen-Pension.

Es ist ein neuer, gesunder Egoismus, der offensichtlich jetzt in höchsten Kirchenkreisen grassiert. Der Jahrhunderte gelebte Praxis, sich von Alter und Krankheit geschwächt aus dem Amt tragen zu lassen oder gar tot vom Bischofsstuhl zu kippen, wird plötzlich die Möglichkeit der Selbstentscheidung entgegengesetzt.

Der Dammbruch war der Rücktritt von Papst Benedikt XVI.. Die Sensation, zuletzt war im Mittelalter ein Papst freiwillig zurückgetreten, hat ein Umdenken ausgelöst: Der Mensch hinter der Klerikal-Fassade tritt mehr und mehr in der Vordergrund. Und das bischöfliche Amtsverständnis ist neu zu definieren: Alles für Gott, fast alles für den Papst, viel für die Herde - aber in lebensentscheidenden Situation auch etwas für mich.

Doch noch ist das neue Credo nicht bei allem angekommen: Auch der scheidende Grazer Bischof wird für seinen Rücktritt aus der konservativen Ecke wohl manche Kritik einstecken müssen. Ähnliches war bereits auch beim päpstlichen Rückzug zu bemerken. Oder wie es damals Erzbischof Stanislaw Dziwisz, ehemaliger Sekretär von Johannes Paul II., ausdrückte: "Vom Kreuz steigt man nicht herab."

Letztlich ist die Entscheidung im Grazer Bischofshof vor allem aber auch ein Ausdruck einer fatalen Personalpolitik im Vatikan. Vier Jahre hat man es nicht geschafft, einen geeigneten Nachfolger - Kandidaten gäbe es genug - zu küren. Angesichts der bischöflich verwaisten Diözese muss nun Rom rasch eine Lösung herbeiführen. Doch die Vergangenheit hat gezeigt, dass man am Stuhl Petri unter Druck fehleranfällig wird. (Markus Rohrhofer, derStandard.at, 24. 01. 2014)