Es ist nicht so, dass im saudischen Königshaus immer alles ruhig und friedlich zuging: Gleich der erste Sohn des Staatsgründers, König Saud, wurde 1964 abgesetzt, sein Nachfolger Faisal 1975 von einem Familienmitglied ermordet. Der Übergang vom verstorbenen König Abdullah auf seinen Halbbruder Salman vermittelt hingegen einen geordneten Eindruck, und die Nachfolgeplanung erstreckt sich über den Kronprinzen hinaus sogar auf einen "Vizekronprinzen" aus der nächsten Generation.

Und dennoch ist alles viel prekärer als bei anderen Thronwechseln. Der Sprung in die Enkelgeneration bleibt ein Unsicherheitsfaktor, falls sich Salman und Muqrin, König und Kronprinz, als zu schwach erweisen, Hahnenkämpfe in der Familie abzustellen. Vor allem jedoch ist die Region eine völlig andere geworden: Die arabischen Umstürze und Revolten von 2011 haben alle undemokratischen arabischen Regime, auch jene, die nicht gefährdet waren, infrage gestellt. Seit 2014 gibt es mit dem "Islamischen Staat" (IS) aber auch Kräfte, die nicht nur die Regierungen, sondern auch die nahöstliche Staatenordnung selbst, die nach dem Ersten Weltkrieg geschaffen wurde, attackieren.

Saudi-Arabien nimmt in dieser Auseinandersetzung eine Sonderrolle ein: Jahrzehntelang investierte das Königreich in die Ausbreitung des salafistisch-puristischen Islam, auf den sich auch die Jihadisten - bei denen das revolutionäre Element dazukommt - beziehen. Die archaische Strenge, aber auch die Mittel, mit denen im Königreich Verbrechen, die im Westen keine sind, geahndet werden, lassen für viele Beobachter Unterschiede verschwimmen.

Und gleichzeitig ist Saudi-Arabien ein Partner im Kampf der US-geführten Allianz gegen die Jihadisten: nicht nur weil es seit mehr als einem halben Jahrhundert strategischer Partner der USA in der Region ist, sondern auch weil es selbst auf der Liste jener Länder steht, die die IS-Milizen im Visier haben. Die Gefährdung kommt nicht nur von außen, sondern auch von innen: Die Dissidenz im Königreich sucht sich öfter den Weg zum Extremismus als den zum Liberalismus, für den der Blogger Raif Badawi so menschenunwürdig büßen muss.

Aber das ist noch nicht alles: Mit dem Sturz Saddam Husseins 2003 durch die USA verschob sich das Gleichgewicht in der Region zugunsten des schiitischen Konkurrenten Iran. In Syrien schien sich 2011 mit dem Aufstand gegen das mit Teheran verbündete Assad-Regime die Gelegenheit zu bieten, beides, Assad und den iranischen Einfluss wenigstens in Syrien und im Libanon, loszuwerden. Das hat nicht nur nicht funktioniert, es sind sogar noch andere Krisenherde - Bahrain, Jemen - dazugekommen, in denen sich saudische und iranische Interessen gegenüberstehen.

Dass die USA dennoch mit Teheran den Ausgleich suchen, wird in Riad mit Bitterkeit und Sorge zur Kenntnis genommen. Die schlechteste Nachricht für die Familie Saud ist, dass der Nahe Osten und dessen Ölreichtum für die USA an Bedeutung verlieren. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 24.1.2015)