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Trauernde versammeln sich um das Grab von König Abdullah in Riad.
Foto: REUTERS/Faisal Al Nasser

Nach Fahnen auf Halbmast muss in Saudi-Arabien vergeblich gesucht werden. Im Königreich ist das trotz des Todes von König Abdullah, der am Donnerstag verstorben ist, nicht erlaubt, da auf der Nationalfahne das islamische Glaubensbekenntnis abgebildet ist. Das Begräbnis für den vermutlich 91-jährigen fand bereits am Freitagnachmittag statt. Neben seinem Nachfolger König Salman waren auch die Emire von Kuwait, Bahrain und Katar anwesend. Mehrere europäische Staatschefs haben angekündigt, sich am Wochenende in Riad von Abdullah zu verabschieden. Prinz Charles reist ebenfalls an, die Fahnen in seiner Heimat Großbritannien, wurden sehr wohl auf Halbmast gesetzt. Österreich wird durch den Zweiten Nationalratspräsidenten Karlheinz Kopf (ÖVP) vertreten sein.

Auf Abdullahs Nachfolger Salman kommen eine Reihe schwieriger Aufgaben zu. Die wichtigsten Fragen rund um die Ereignisse in Saudi-Arabien:


Wer war König Abdullah?

  • Regenschaft: Zwei Jahrzehnte lang bestimmte Abdullah Bin Abdulaziz die Geschicke Saudi-Arabiens. Zunächst zehn Jahre als Regent unter dem greisen König Fahd, bis er nach dessen Tod selbst den Thron bestieg. Nachdem er 2005 König geworden war, verwaltete er jedoch nur noch den stockkonservativen Stillstand im wahhabitischen Königreich. Als Regent hatte der im Jahr 1923 geborene Abdullah zaghafte Reformansätze in der absoluten Monarchie vorangetrieben und sich unter anderem für die Einführung von Teilwahlen von Gemeinderäten und eine allmähliche Vergrößerung des Nationalen Konsultativrats eingesetzt, dessen Mitglieder weiterhin vom König ernannt werden. Zudem bemühte er sich, die hauptsächlich vom Öl abhängige Wirtschaft für ausländische Investitionen, etwa im Gassektor, zu öffnen.
  • Außenpolitik: Außenpolitisch widmete sich Abdullah verstärkt dem Kampf gegen Extremisten und der Verbesserung der Beziehungen zu den USA, die seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA stark belastet waren. Im Jahr 2002 konnte er alle Staaten der Arabischen Liga für eine Nahost-Friedensinitiative gewinnen, die Israel normale diplomatische Beziehungen im Gegenzug für einen Abzug aus den Palästinensergebieten in Aussicht stellte. An der Politik Riads gab es jedoch auch scharfe Kritik. So schickte das Königshaus Soldaten ins benachbarte Bahrain, wo Proteste von Schiiten niedergeschlagen wurden.
  • Innenpolitik: Das Erstarken des islamistischen Extremismus im eigenen Land führte zu einem bis dahin beispiellosen Vorgehen gegen militante Gruppen. Der Monarch hinterlässt ein unter Druck geratenes Königreich, in dem die Zügel innenpolitisch jüngst wieder stärker angezogen wurden: keine Frauen am Steuer, Hinrichtungen am laufenden Band und 1.000 Stockschläge für einen Blogger, der sich für Meinungsfreiheit und die Gleichberechtigung der Religionen eingesetzt hat. Im Bereich der Menschenrechte blieben Reformansätze genauso stecken wie die Dialogbemühungen des nach ihm benannten Abdullah-Zentrums. In dem streng religiösen Königreich unternahm Abdullah aber auch Modernisierungsschritte. So gründete er gegen den Willen einflussreicher Islamgelehrter 2009 die König-Abdullah-Universität, an der Frauen und Männer gemeinsam studieren und forschen. 2013 ernannte er erstmals Frauen zu Mitgliedern des Shura-Rats, eines beratenden Gremiums ohne Gesetzgebungskompetenz.

Nachruf: Ende einer Ära - Saudi-Arabiens König Abdullah gestorben


Wer waren seine Vorgänger?

König Abdullah war einer der Söhne des saudi-arabischen Staatsgründers Abdulaziz (Ibn Saud). Nach offiziellen Angaben wurde er 1924 in Riad geboren. Das genaue Geburtsdatum ist nicht bekannt.

  • 1902: Mit britischen und russischen Waffen erobert Staatsgründer Abdulaziz Ibn Saud von seinem Exil in Kuwait aus das Fürstentum Nedschd mit der Hauptstadt Riad zurück. Die Unabhängigkeit von Nedschd wird nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs von den Briten anerkannt. Als Ibn Saud 1924 das Königreich Hedschas erobert, vertreibt er den haschemitischen König Hussein, Nachkommen des Propheten, aus der heiligen Stadt Mekka. 1932 erfolgt die offizielle Vereinigung von Hedschas und Nedschd zum "Vereinigten Königreich Saudi-Arabien".
  • 1953: König Abdulaziz Ibn Saud stirbt. Sein Sohn Saud besteigt den Thron.
  • 1964: Absetzung von König Saud, dem zügellose, parasitäre Verschwendung zur Last gelegt wird. Sein Bruder, Kronprinz Faisal, wird König.
  • 1975: Faisal wird von einem Mitglied des Herrscherhauses ermordet. Sein Bruder, Kronprinz Khalid, besteigt den Thron.
  • 1982: Nach dem Tod von König Khalid folgt ihm ein weiterer Sohn des Reichsgründers, Fahd, auf den Thron. 1996 übernimmt Abdullah für den kranken König die Amtsgeschäfte und vertritt ihn auch in den folgenden Jahren.
  • 2005: König Fahd stirbt. Den Thron besteigt sein Halbbruder Abdullah.

Stammbaum: Eine Großfamilie an der Regierung


Wer folgt ihm nach?

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Abdullahs Nachfolger Salman
Foto: AP Photo/Saudi Press Agency, File
  • Nach dem Tod Abdullahs hat dessen Halbbruder Salman die Herrschaft in dem konservativen Königreich übernommen. Das Königshaus habe den 79-Jährigen zum neuen Regenten ernannt, berichtete die staatliche saudische Nachrichtenagentur SPA am Freitag. Salman wollte demnach seinen Treueschwur nach dem Freitagsgebet in der Hauptstadt Riad ablegen.
  • In einer TV-Ansprache beteuerte er, die Politik seiner Vorgänger fortzusetzen: "Wir werden an der rechtschaffenen Politik festhalten, die Saudi-Arabien seit der Gründung durch König Abdulaziz angenommen hat." Die Rede nährte Zweifel an seinem Gesundheitszustand. Der neue Regent sprach kurzatmig und mit schwacher Stimme. Dabei war er nur schwer zu verstehen.
  • Neuer saudischer Kronprinz ist der 69 Jahre alte Prinz Muqrin, der jüngste Sohn von Staatsgründer Abdulaziz. Zum stellvertretenden Kronprinzen ernannte der Königshof Prinz Mohammed bin Nayef. Der 55-Jährige wäre im Falle einer Machtübernahme der erste Vertreter von Abdulaziz' Enkelgeneration, der auf den Thron käme.

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Was kommt auf den neuen König zu?

Nachfolger im hohen Alter: Der neue König Salman ist bald 80, seine Nachfolger nicht sehr viel jünger.

Der Thronwechsel erfolgt in einer für Saudi-Arabien sehr schwierigen Zeit. Es brodelt innen- und außenpolitisch: Der Ölpreis befindet sich im Tiefflug, es gibt Thronfolgeprobleme und Minderheitenkonflikte in Saudi-Arabien. Außerdem fühlt sich der Ölstaat vom schiitischen Iran herausgefordert und fürchtet um die jahrzehntelange Vormachtstellung der Sunniten unter der Führung Riads.

  • Die Nachfolgedebatte wird immer heikler, weil es keinen Plan gibt, wie die Macht an die Enkel von Staatsgründer Abdulaziz übertragen werden kann. Dessen noch lebende Söhne und an die 30 der wichtigsten Familienmitglieder sind entweder alt, krank oder umstritten. Der jetzt ernannte Salman etwa leidet unter den Folgen von Schlaganfällen, sein linker Arm ist teilweise gelähmt. Beobachter berichten, der bald 80-Jährige habe zwar einen dichten öffentlichen Terminkalender, doch es gibt Gerüchte, dass er an Demenz erkrankt ist. Der kürzlich nominierte Vizekronprinz und jetzige Kronprinz Muqrin wiederum, ein Halbbruder Abdullahs und mit 69 Jahren der jüngste noch lebende Spross von Staatsgründer Abdulaziz, ist innerhalb der Familie umstritten. Aus Sicht einiger mächtiger Mitglieder des Königshauses hat er keinen Anspruch auf den Thron, weil er von einer Jemenitin abstammt, die das königliche Familienoberhaupt seinerzeit als 15-Jährige schwängerte. Daher kommt es, dass nach Muqrins Ernennung sieben der 34 Repräsentanten im sogenannten Thronfolgerat ihre Zustimmung verweigerten oder sich der Stimme enthielten. Das ist ein Indiz für wachsende Spannungen innerhalb des weitverzweigten Herrscherclans.
  • Aber auch innerhalb der Gesellschaft köchelt es. Auf saudi-arabischen Internetseiten wächst der Unmut über die "Spießer- und Schmarotzerklasse der rund 8.000 Prinzen und der mit ihnen verbundenen Familien", einer superreichen Petro-Nomenklatura von etwa 100.000 Personen. Der seit einem halben Jahr verfallende Ölpreis dürfte 2015 ein Rekordloch von fast 40 Milliarden Dollar (33,5 Milliarden Euro) in das Staatsbudget reißen.
  • Der Kampf um die regionale Vorherrschaft zwischen Schiiten und Sunniten wird Salman ebenfalls beschäftigen. Nach den jüngsten Ereignissen im Jemen, wo die vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen mehr Einfluss erlangen, muss Riad fürchten, bald von einer Reihe von Staaten (Irak, Syrien, Libanon, Jemen, Bahrain) umgeben zu sein, in denen der Iran seine Finger politisch, wirtschaftlich oder militärisch im Spiel hat.

Harrers Analysen: Thronfolge springt in die Enkelgeneration

(stb, tee, derStandard.at, 23.1.2015)