Gabriele Faber-Wiener war Präsidentin des PR-Verbands und berät heute Firmen in Corporate Social Responsibility. Was sie von Auftragspostern hält, vom Lobbying – und worüber sie sich lieber nicht äußert.

STANDARD: Haben Sie eigentlich schon einmal gepostet - auf Webportalen, in Foren?

Faber-Wiener: Ja, aber ganz wenig. Ich glaube, ich habe ein- oder zweimal etwas auf derStandard.at gepostet.

STANDARD: Unter Ihrem Namen oder unter einem Nickname?

Faber-Wiener: Ich überlege gerade ... Ich habe mich vor ein paar Wochen gegoogelt und bin auf ein Posting von mir gestoßen. Also muss ich es unter meinem Namen gemacht haben. Aber das ist für mich ja das Dilemma - Transparenz ist nicht gegeben, und Anonymität ruft alles Mögliche hervor, das alles andere als ethisch korrekt ist.

STANDARD: Zum Beispiel von PR-Agenturen bezahlte Poster. Die könnte man aber womöglich auch unter Klarnamen haben, wie so mancher Youtube-"Star" oder Blogger mit Produktplatzierungen und -bewertungen vorführt. Und so mancher Shitstorm bis hin zu Drohungen tobt von Klarnamen völlig ungebremst etwa auf Facebook.

Faber-Wiener: Ich bin keine Social-Media-Expertin. Ich befasse mich grundsätzlich mit Glaubwürdigkeit und Vertrauen.

STANDARD: Was "Datum" da zutage förderte über bezahlte Auftragspostings, wirft kein gutes Licht auf Public Relations und ihre Vertrauenswürdigkeit.

Faber-Wiener: Ich sehe die Ursache überhaupt nicht in Public Relations. Die Geschichte ist viel zu komplex, um sie auf eine Branche zu reduzieren. Kommunikation spiegelt eine Haltung wider, und die Haltung hinter den bezahlten Postings sagt: Ich will kontrollieren, was über mich berichtet wird. Diese Kontrolle haben wir aber spätestens mit Social Media und Corporate Social Responsibility (CSR) gänzlich verloren.

STANDARD: Was hat CSR mit diesem Kontrollverlust zu tun?

Faber-Wiener: CSR zwingt zu einer viel transparenteren und dialogischen Kommunikation. Da geht es um Werte. Das überholte Bedürfnis, Kommunikation zu kontrollieren, führt hingegen auf vordergründig leichte Wege - und zu Agenturen wie jene mit den Auftragspostings. Die Agentur ist übrigens nicht Mitglied im PRVA.

STANDARD: Gehen Sie davon aus, dass die Agenturen im PRVA so etwas nicht machen - oder können Sie das vielleicht sogar ausschließen? Sie waren doch schon Präsidentin des Verbands.

Faber-Wiener: Die Frage müssen Sie der aktuellen Präsidentin Ingrid Vogl stellen, bei mir ist das schon eine Weile her. Ich bin Mitglied, habe aber keinen aktuellen Überblick. Daher kann ich das - ich kenne viele, manche gar nicht. Daher kann ich das seriöserweise nicht beantworten.

STANDARD: Aber ein solches Vorgehen würde den Anforderungen des PRVA an seine Mitglieder widersprechen.

Faber-Wiener: Sicher. Das widerspricht eindeutig den ethischen Vorgaben des PRVA und sämtlichen Kommunikationskodices, und ist deshalb auch zu verurteilen.

STANDARD: Einer der größten in der PR-Branche und Mitglied des PRVA ist Wolfgang Rosam, der als Herausgeber des Magazins "Falstaff" selbst jedenfalls einen Leserbrief anonym verfasst hat und in der Folge diesen Leserbriefschreiber als Herausgeber verteidigt.*

Faber-Wiener: Zu ihm möchte ich mich nicht äußern. Aber mich hat das geringe Medienecho auf diesen Vorfall, den der Presserat dokumentiert hat, schon überrascht.

STANDARD: Worauf führen Sie das zurück?

Faber-Wiener: In der Ethik nennen wir das Phänomen Slippery Slope: Wenn's jeder macht, wird es als gut befunden. Das ist aber nicht gut. Da verliert man die Perspektive.

STANDARD: Und Sie vermuten: Über den Vorfall wurde relativ wenig berichtet, weil Sie meinen, dass viele Medien Leserbriefe selbst verfassen?

Faber-Wiener: Ich glaube, dass hier die Hemmschwelle nicht so groß ist. Wie im Fall der Postings: Wenn es verlockende Angebote gibt wie bei dieser Agentur, dann greift man dorthin. Ich kenne einige der Unternehmen, die das getan haben. Da sitzen jetzt völlig andere Leute - die nun wirklich Schwierigkeiten haben, mit diesen Altlasten umzugehen. Man muss das Problem richtig analysieren und diskutieren.

STANDARD: Nämlich wie?

Faber-Wiener: Indem man an die Fundamente geht. Das geht über Kommunikation hinaus. Das ist kein reines Kommunikationsproblem. Das ist ein Haltungsproblem. Und dort muss man es angehen.

STANDARD: Also nicht die Kommunikation ist böse, sondern die Akteure - zum Beispiel Firmenchefs.

Faber-Wiener: Ich werte nicht, ich analysiere. Nehmen wir BP und den Ölbohrunfall im Golf von Mexiko. Es war eine klare Entscheidung des Vorstands, Sicherheit nicht so wichtig zu nehmen wie Gewinn - ob bewusst oder unbewusst. Diese Haltung hat zum Unfall geführt und zu massivem Reputationsverlust und letztlich auch finanziellen Verlusten.

STANDARD: Soll heißen: PR allein ist es nicht.

Faber-Wiener: Das war kein PR-Desaster. Da geht es um ganz fundamentale Haltungen, und dort muss man ansetzen. Ich sage nicht, dass Reputationsmanagement per se negativ ist. Da gibt es eine große Bandbreite von seriöser Kommunikation bis zur versuchten Manipulation. Grundsätzlich gilt aber: Reines Reputationsmanagement setzt bei der Kommunikation an. Und es steckt dahinter die Idee, ich könnte Reputation kommunikativ steuern. Das kann ich definitiv nicht - ich muss über die Kommunikation hinaus ins Management und in die Businessethik gehen.

STANDARD: Aber sagen Sie damit nicht: Reputation Management ist sinnlos? Wenn Firmen und ihr Management gut handeln, braucht es sie nicht.

Faber-Wiener: Nein, viele aus diesem Bereich nehmen ihre Beraterfunktion als kritischer Spiegel des Managements ja ernst. Vertrauen und Legitimation schaffe ich nicht durch Kommunikation alleine. Ich kann sie aber durch Kommunikation stärken oder schwächen.

STANDARD: Aber gerade zu Jahresbeginn ist das Prinzip recht präsent: Es ist einfacher, Gutes zu reden, als es tatsächlich zu tun.

Faber-Wiener: Natürlich sind Angebote verlockend, alleine den Ruf zu reparieren oder zu verbessern. Und wenn es da Angebote von Medien gibt...

STANDARD: Wie zum Beispiel?

Faber-Wiener: Advertorials zum Beispiel sind ja eine gängige Praxis - mit der Ambition, zu kontrollieren, was über mich berichtet wird.

STANDARD: Oder gleich Zusagen für freundliche redaktionelle Behandlung, wenn die jeweiligen Unternehmen oder Stellen inserieren.

Faber-Wiener: Genau. Das alles ist nicht nur ethisch unkorrekt, sondern de facto illegal. Der Paragraph 26 des Mediengesetzes schreibt präzise vor, wie bezahlte Beiträge zu kennzeichnen sind - und er wird nur zu oft nicht befolgt. Aber viele Probleme, die woanders entstehen, werden auf Kommunikation reduziert. Das ist auch die Gefahr in der Diskussion über bezahlte Postings, die als PR-Skandal dargestellt werden. Das Problem kommt aus ganz anderen Bereichen.

STANDARD: Arbeiten Sie eigentlich für Branchen, in deren Geschäftsfeldern Konflikte mit ihrem Themenfeld CSR warten - was ja auch diesseits der Legalität vorkommen soll? Zum Beispiel die Umwelt verschmutzende Unternehmen...

Faber-Wiener: Wir haben auch schon mit potenziell schwierigeren Branchen gearbeitet, etwa mit Transport- und Logistikunternehmen und Versicherungen. Wir arbeiten aber etwa auch für Universitäten. Es kommt sehr darauf an, wer das jeweilige Unternehmen mit welchem Bewusstsein führt. Es geht darum, im Vorstand anders zu entscheiden. Da stehen viele CSR-Manager oben an. Also muss man an der Unternehmensethik ansetzen. Unser Grundparameter für die Zusammenarbeit ist: Wie ernst meint es das Management?

STANDARD: Schließen Sie Branchen aus?

Faber-Wiener: Alles, was mit Waffen zu tun hat, zum Beispiel.

STANDARD: Lehmann Brothers, Goldman Sachs wären doch eine schöne Herausforderung gewesen. Wer, wenn nicht die könnten gut gebrauchen, womit Sie sich beschäftigen?

Faber-Wiener: Natürlich, alle. Die Finanzbranche ist sicher eine der schwierigsten.

STANDARD: Aber wenn Sie mit der Karotte winken und sagen: Es zahlt sich aus, ethisch korrekt zu handeln und quasi gut zu sein, oder ist teuer, wenn man es nicht tut, müsste das doch Manager der meisten Branchen überzeugen.

Faber-Wiener: Wir winken nicht mit der Karotte und nicht mit dem Business Case. Wenn allein der ökonomische Gewinn die Motivation ist, ethisch korrekt zu handeln, dann mache ich das nur, solange es sich rechnet. Und wenn eine Krise kommt, baue ich Mitarbeiter ab.

STANDARD: Das kommt auch in Unternehmen vor, die nicht als sonderlich böse gelten. Alternativ könnte man auch einfach so lange weitermachen, bis das Unternehmen pleite ist.

Faber-Wiener: Dazwischen gibt es doch noch einiges: In der Krise haben viele etwa auf Kurzarbeit umgestellt. Natürlich soll ein Unternehmen Gewinn machen, sonst wäre es ja kein Unternehmen. Aber letztlich geht es darum: Wie komme ich zu meinem Gewinn, und was bleibt auf der Strecke?

"In der politischen Kommunikation ist wohl die Verlockung größer, etwas rein kommunikativ korrigieren zu wollen", sagt Faber-Wiener.
Foto: Philipp Naderer


STANDARD: Unter den Auftraggebern der bezahlten Poster war auch die ÖVP Wien. Neigt politischen Kommunikation besonders zu Manipulationsversuchen?

Faber-Wiener: Ich war nur ganz kurz und vor Ewigkeiten in der politischen Kommunikation tätig. Aber ich glaube, der Druck und das Tempo und die so genannten Sachzwänge sind dort noch größer. Und darum ist wohl auch die Verlockung größer, etwas rein kommunikativ korrigieren zu wollen. Wenn solche Angebote kommen, macht man das. Das heißt noch lange nicht, dass es korrekt ist. Oft betreiben zudem keine ausgebildeten PR-Leute politische Kommunikation - in dem Fall war es damals allerdings jemand mit abgeschlossenem PR-Studium. Aber meist trennt sich eh die Spreu vom Weizen.

STANDARD: Über Jahre - bis zu Peter Hocheggers, Gernot Rumpold und Walter Meischbergers Causen - war Lobbying auch offen ausgesprochen das ganz große Ding in den Public Relations. Die Mechanik des Lobbying - möglichst im Hintergrund maßgebliche Menschen zu etwas zu bewegen - klingt ja eher nicht nach Transparenz und Offenheit.

Faber-Wiener: Lobbying ist einer der Bereiche, die dem Image der Public Relations schaden. Viel Lobbying findet hinter verschlossenen Türen statt, ist intransparent, da gibt es kein Korrektiv und keine Öffentlichkeit. Umso wichtiger ist es, dass es auch da Kodices und Verbindlichkeiten gibt. Bei Lobbying geht es im Prinzip darum, Einfluss auf Rahmenbedingungen zu nehmen. Bei PR geht es darum, Vertrauen zu schaffen. Die beiden Dinge widersprechen einander oft. Aber auch da komme ich zur Frage: Wie mache ich es? Ich kann Lobbying ethisch korrekt betreiben und PR ebenso. Und 80 Prozent machen das auch so. (Harald Fidler, DER STANDARD, Langfassung, 23.1.2015)