Die Erwartung, dass die am Mittwochabend verkündete "Einigung" zwischen der Huthi-Bewegung und Präsident Abd Rabbo Hadi Mansur zu einer langfristigen Beruhigung des Jemen führen würde, war denkbar gering – schon bevor der Präsident am Donnerstagabend seinen emotionalen Rücktrittsbrief präsentierte. Hadi sagte darin nicht mehr und nicht weniger als: Das jemenitische Übergangsmodell ist gescheitert.

Damit droht nicht nur politisches Chaos. Der Jemen rückt dem Zerfall näher, und das auch im Fall, dass die Huthis mit Hadi doch noch einmal eine Formel finden. Zwar präsentierte der Sprecher der zaiditisch-schiitischen Gruppe die dem Präsidenten - quasi mit der Waffe an der Schläfe - abgerungenen Zugeständnisse am Mittwoch als Erfolg für alle politischen Gruppen und besonders die unzufriedenen Südjemeniten. Aber dass sich die Huthis - keine Sunniten und aus derselben Glaubensgemeinschaft stammend, der die bis 1962 den Nordjemen regierende Dynastie angehörte - in Sanaa nun endgültig durchgesetzt haben, wird im Süden, aber auch in anderen Regionen nicht so ohne weiteres hingenommen werden. Die südlichen Separatisten werden stärker.

Die Kräfte im Ausland, die den Transitionsprozess im Jemen entworfen haben - im Wesentlichen die arabischen Golfkooperationsstaaten und die USA -, sind hilflos. Die Araber, allen voran Saudi-Arabien, werden dem Jemen den Geldhahn abdrehen: Sie würden ein Land finanzieren, das nun von einem - aus arabischer Sicht - Klienten Teherans dominiert wird. Die weitere Verschlechterung der Wirtschaftslage wird alte Konflikte wieder aufflammen lassen, neue werden dazukommen. Das ist genau das Klima, in dem Al-Kaida gedeiht. Spätestens seit sich einer der Pariser Attentäter auf die jemenitische Al-Kaida bezogen hat, ist sie auch wieder auf der internationalen Terrorismus-Landkarte.

Mit dem Jemen gehen auch die Hoffnungen den Bach hinunter, dass ein kontrollierter Übergang bessere Resultate erzielt als Umstürze, wie sie in den anderen Ländern des Arabischen Frühlings stattfanden. 2012 war Langzeitpräsident Ali Abdullah Saleh unter Druck und mit Immunitätszusagen zurückgetreten, sein Vizepräsident Hadi hatte übernommen. In einer Dialogkonferenz sollte zuerst ein Konsens über System und Gestalt des künftigen Jemen erzielt und dann eine neue Verfassung geschrieben werden, erst danach sollten Parlamentswahlen stattfinden.

In Tunesien - nur dort hat es einigermaßen funktioniert -, Ägypten und Libyen, aber auch schon im Irak nach 2003, war es umgekehrt: Da wurde zuerst gewählt, und die Erfahrung war, dass Wahlen ein politisch (oder ethnisch oder religiös) gespaltenes Land nicht heilen, sondern die Spaltung eher vertiefen. Die Ernüchterung vier Jahre nach Beginn der arabischen Aufstände ist groß - und die Angst vor der Destabilisierung weiterer Länder in der Region ebenso. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 23.1.2015)