Also das mit dem Dialog ist im Fall des König-Abdullah-Zentrums für den interreligiösen und interkulturellen Dialog gründlich danebengegangen. Seit dem Monolog der Vizegeneralsekretärin im Profil, deren interkulturelles Fingerspitzengefühl bei Kulturträgern wenigstens außerhalb des Zentrums Aufsehen erregt hat, finden die diversen Beteiligten kaum noch eine Gesprächsbasis.
Doch warum sind auf einmal überhaupt so viele an diesem Konstrukt engagiert? Dialog ist etwas Schönes, und wenn religiös, möglicherweise - aber das ist umstritten - sogar gottgefällig. Wenn Vertreter monotheistischer Religionen nach anderthalb- beziehungsweise zweitausend Jahren unterschiedlich gelungener Anläufe wieder einmal das Bedürfnis verspüren, sich auszutauschen, ist dagegen nichts einzuwenden. Sie brauchen dazu einen Verein und ein edles Palais am Ring? Warum nicht, das Geld ist ja da. Aber was hat, wo Staat und Religion zwar schlampig, aber doch irgendwie getrennt sind, die Politik mit interreligiösen Dialogen zu tun?
Noch heute könnte man intern friedlich über die Zulässigkeit von öffentlichen Auspeitschungen wegen Aufforderung zu religiöser Toleranz dialogisieren, wäre Politikern nicht plötzlich eingeschossen, dass es da ein Problem geben könnte - wie bei so vielen anderen Problemen zu spät. Jetzt können sie sich nicht einigen, ob sie mit dem Zusperren noch bis zum nächsten Freitag warten sollen, je nachdem, wie die Justiz in Saudi-Arabien am heutigen Freitag aufgelegt ist.
Es ist haarsträubend, dass Entscheidungen österreichischer Politiker nun davon abhängen sollen, ob man in Riad gerade geneigt ist, Gnade walten zu lassen, oder nicht, und das womöglich auf Widerruf im Wochenabstand. Schon der Begriff Begnadigung ist im Fall des saudischen Bloggers Raif Badawi eine Perversion. Begnadigen kann man Verbrecher. Wenn Badawi für etwas - vorübergehend - begnadigt werden soll, was an der hiesigen Adresse des Dialogzentrums nicht nur als kein Delikt gilt, sondern als Tugend gelten sollte, nämlich Aufforderung zu religiöser Toleranz, dann zeigt sich darin der dicke Wurm in der Dialogpartnerschaft.
Jetzt ist es natürlich peinlich, die idyllische Gemeinschaft aufkündigen zu sollen. Man möge doch die Gesprächsbasis nicht gleich abbrechen, heißt es - ein Argument, das nie ganz falsch ist, in diesem Zusammenhang aber vor allem kaschieren soll, dass man sich besonders in der Volkspartei nicht vorher besser überlegt hat, welcher Voraussetzungen ein interreligiöser Dialog in Zeiten wie diesen bei allen Partnern bedarf, soll er glaubwürdig und interkulturell verträglich sein. Das Menschenrecht auf freie Meinung und Religionswahl muss heute als eines der Anliegen gelten, die zu beachten sind, soll ein Dialog Toleranz produzieren. Wenn das in der Politik oft missachtet wird, umso schlimmer.
Vielleicht ist ja noch ein Kompromiss möglich: Das Abdullah-Zentrum bleibt, aber übersiedelt nach Mekka. Oder es wird umbenannt in Raif-Badawi-Zentrum für den interreligiösen Dialog. Am besten wäre natürlich beides. Und Bundespräsident und Bundeskanzler fänden wieder zu einem ersprießlichen Dialog. (Günter Traxler, DER STANDARD, 23.1.2015)