Mario Draghi ist immer für Überraschungen gut. Die Entscheidung der Europäischen Zentralbank, mit dem massenhaften Ankauf von Staatsanleihen zu beginnen, war erwartet worden. Aber das Volumen, das Draghi am Donnerstag ankündigte, ist deutlich größer als zuvor kolportiert und deutet darauf hin, dass sich die Befürworter des "Quantitative Easing" (QE) gegenüber den vor allem deutschen Skeptikern klar durchgesetzt haben.

Wenn schon, dann richtig, hat Draghi im Kreis der Notenbanker argumentiert und ist mit dieser entschlossenen Haltung durchgekommen. Das war sicher richtig, denn halbherzige Maßnahmen hat die Eurozone bisher schon genug gesehen.

Echter Zinseffekt zu erwarten

Wie viele der nun veranschlagten 1,14 Billionen Euro –es können laut Draghi auch mehr werden – für Staatsanleihen ausgegeben werden und wie viele für Unternehmensanleihen, bleibt abzuwarten. Das Volumen ist jedenfalls genug, um einen echten Effekt bei den längerfristigen Zinsen auszulösen.

Ob damit die Deflationsgefahr wirklich abgewendet und die Konjunktur der Eurozone belebt werden kann, ist unklar. Europäische Unternehmen finanzieren sich viel weniger auf dem Kapitalmarkt als Gesellschaften in den USA, wo QE am stärksten gewirkt hat. Aber allein der weitere Rückgang des Eurokurses sollte einerseits die Exportwirtschaft stärken und andererseits die Preise erhöhen – und damit auch die Inflation.

Deutschland droht die Isolation

Allerdings hat die Entscheidung einen politischen Preis: Die beiden deutschen Vertreter im EZB-Rat, Bundesbankchef Jens Weidmann und Direktoriumsmitglied Sabine Lautenschläger, wurden offenbar überstimmt, Europas größte Volkswirtschaft damit weiter in die Isolation getrieben.

In den kommenden Wochen und Monaten wird es entscheidend sein, dass sich dieses Gefühl unter deutschen Politikern, Unternehmern und in der öffentlichen Meinung nicht verstärkt. Denn das würde den Zusammenhalt der Eurozone gefährden.

Keine Gefahr der Hyperinflation

Aber die Warnungen aus Deutschland waren stets übertrieben. Weder werden nun die Regierungen der Schuldenländer ihre Spar- und Reformprogramme einstampfen, den Champagner aus dem Kühlschrank holen und eine neue Schuldenparty starten.

Genauso wenig wird die Ausweitung der Geldmenge zu einer Hyperinflation führen – auch nicht in einigen Jahren. Denn die lockere Geldpolitik lässt sich später wieder zurückfahren. Und etwas mehr Inflation, vor allem in Deutschland, wäre derzeit ja wünschenswert.

Unglücklich ist allerdings die Lösung, dass der Ankauf von Staatsanleihen durch die nationalen Notenbanken erfolgen soll und damit die gegenseitige Haftung für Schulden ausgeschaltet wurde. Mit diesem politischen Kompromiss wurden zwar deutsche Ängste besänftigt, aber gleichzeitig ein Signal der Entsolidarisierung und Fragmentierung in der Eurozone gesendet. Auch das könnte sich für den Zusammenhalt des gemeinsamen Währungsraums mittelfristig als höchst schädlich erweisen. (Eric Frey, derStandard.at, 22.1.2015)