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E.-coli-Bakterien wie diese Ehec-Keime sind gefürchtete Krankheitserreger und Modellorganismen gleichermaßen. Gentechniker "bauten" nun eine Variante, die außerhalb ihres Labors nicht überleben kann.

Foto: REUTERS/Manfred Rohde/Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung

Boston/Wien - Obwohl bereits seit Jahrzehnten aus zahllosen Industriezweigen nicht mehr wegzudenken, wird der Gentechnik bis heute eine große Portion Misstrauen entgegengebracht - und das nicht ganz zu Unrecht. Noch immer weiß man viel zu wenig darüber, welche Folgen eine unkontrollierte Ausbreitung von genetisch modifizierten oder gänzlich synthetischen Lebensformen auf die Natur haben könnte. Dies ist einer der Hauptgründe, warum sogenannte GMOs (Genetically Modified Organisms) großteils in geschlossenen Systemen ihre Arbeit verrichten, etwa Medikamente herstellen oder in Bioreaktoren Treibstoffe gewinnen.

Doch bloßes Einsperren reicht als Sicherheitsmaßnahme oft nicht aus. Petrischalen können brechen, neuartige Mosquito-Stämme aus Labors entfliehen. Heute wendet man sich daher zunehmend biologischen Schutzschaltern zu, die sicherstellen sollen, dass genetisch veränderte Lebewesen nur in der für sie geschaffenen Umgebung überleben können. US-Forscher haben nun eine neue Methode präsentiert, mit der sich gentechnisch hergestellte Organismen solcherart in Schach halten lassen.

Künstliche Aminosäure

George Church von der University of Harvard hat dafür gemeinsam mit Kollegen von der Yale University ein Escherichia-coli-Bakterium geschaffen, das nur dann gedeihen kann, wenn eine künstliche, in der Natur nicht existierende Aminosäure verfügbar ist. Dafür war ein großräumiger Umbau des genetischen Bakterienbauplans notwendig, wie die Biogenetiker in zwei im Fachjournal Nature veröffentlichten Studien ausführen. An 49 Stellen im Bakteriengenom wurde ein zusätzlicher Code eingefügt, der unter anderem dafür sorgt, dass E. coli die betreffende Aminosäure nicht selbst herstellen kann.

"Dies ist das erste Beispiel für eine radikale, genomweite Umstrukturierung des Bauplans eines Lebewesens", erklärt Church. "Wir haben nicht nur einen neuen Code eingeschleust, sondern darüber hinaus auch eine neue Aminosäure, von der der Organismus vollständig abhängig ist."

Die Autoren sind davon überzeugt, dass Gentechniker mithilfe der von ihnen entwickelten Methode künftig modifizierte Lebewesen entwerfen werden, die guten Gewissens auch in offenen Feldversuchen eingesetzt werden können. Die Forscher sehen vor allem in der Nahrungsmittelherstellung oder bei der mikrobenunterstützten Beseitigung von Umweltschäden großes Potenzial. (Thomas Bergmayr, DER STANDARD, 22.01.2015)