Wien – Wenn es nicht um Haftsachen oder dringende Familienrechtsangelegenheiten geht, werden sämtliche für Donnerstag angesetzten Gerichtsverhandlungen vertagt. Denn Richter und Staatsanwälte müssen in Dienststellenversammlungen beraten, wie sie mit der anstehenden Gehaltskürzung umgehen sollen.

Wobei die Argumentation des Dienstgebers, also der Bundesregierung, ist, dass es eine solche Gehaltskürzung gar nicht gebe: Tatsächlich wird kein öffentlich Bediensteter durch den Parlamentsbeschluss vom Mittwoch eine Gehaltskürzung erfahren. Wohl aber wird sich mit dem nächsten Stichtag (am 1. Juli 2015) das System der Vorrückungen ändern. Da es künftig mehr Vorrückungsstufen gibt, fallen die Erhöhungen geringer aus.

Acht Gehaltsstufen

"Bei Richtern und Staatsanwälten gab es bisher acht Gehaltsstufen, künftig gibt es neun. Die höchste Stufe erreicht man also vier Jahre später und verdient bis dahin entsprechend weniger. Für einen jungen Staatsanwalt bedeutet das nach unseren Berechnungen eine Schmälerung der Lebensverdienstsumme um 6000 Euro", erklärt Gerhard Jarosch von der Vereinigung der Staatsanwälte im Gespräch mit dem STANDARD. Richter und Staatsanwälte haben nur alle vier Jahre eine Vorrückung (andere öffentlich Bedienstete alle zwei Jahre), deshalb sieht sich diese Gruppe besonders betroffen - und ergreift als Erste gewerkschaftliche Maßnahmen.

Jarosch räumt ein, dass es nicht um riesige Vermögensbeträge geht, wenn künftige Gehaltssprünge geringer ausfallen, als man das individuell erwarten konnte: "Hier geht es ums Prinzip. Uns wird Geld weggenommen - und zwar ohne dass darüber je verhandelt worden ist."

Große Reform steht noch aus

Die Gewerkschaft öffentlicher Dienst wurde zwar auf die Absicht hingewiesen, mehr Stufen einzuführen. Die sonst üblichen sozialpartnerschaftlichen Verhandlungen blieben aber aus. Dennoch setzt die Gewerkschaft öffentlicher Dienst (GöD) auf Verhandlungen. Die am Mittwoch im Parlament durchgewinkte Regelung ist notwendig geworden, weil der Europäische Gerichtshof bereits zweimal das von der Republik Österreich angewendete Verfahren zur Anerkennung von Vordienstzeiten im öffentlichen Dienst als rechtswidrig erkannt hat.

Daraufhin hat die Regierung kurzfristig ein am deutschen System orientiertes Modell erstellt und in Verbindung damit auch die neuen Systeme der Vorrückung eingeführt. Eine große Dienstrechtsreform steht noch aus. "Hier geht es ums Prinzip", sagt Gewerkschafter Jarosch. (Conrad Seidl, STANDARD, 22.1.2015)