Bild nicht mehr verfügbar.

Das Enzym ATGL ist nicht nur im Fettgewebe aktiv. Es spielt bei vielen Krankheiten eine wichtige Rolle.

Foto: Picturedesk/Gschmeissner

Der Grazer Biochemiker Rudolf Zechner.

Foto: Uni Graz

Der Grazer Biochemiker Rudolf Zechner, bekannt durch seine Forschungen über den Fettstoffwechsel, traute wohl seinen Ohren nicht, als er kürzlich einen Anruf aus der Schweiz erhielt. Er habe den Louis-Jeantet-Preis für Medizin 2015 gewonnen. Er fragte in einer ersten Reaktion nur: "Bitte schön, welchen Preis?" Die Antwort ließ den Wissenschafter vermutlich um ein paar Zentimeter wachsen: Louis Jeantet war ein im Auto und Reifenhandel höchst erfolgreicher Geschäftsmann. Er war recht vermögend und starb 1981 kinderlos an Krebs.

Schon 1982 wurde die Stiftung mit Sitz in Genf gegründet, die mit jährlich 4,5 Millionen Schweizer Franken die biomedizinische Forschung unterstützt. Der Preis selbst wird seit 1986 vergeben und geht an Wissenschafter und Wissenschafterinnen, die die Grundlagen von Krankheiten erforschen. Er gilt mittlerweile als wichtiger Qualitätsindikator: Zehn Preisträger haben danach Nobelpreise für Medizin oder Chemie erhalten. Einzige formale Bedingung: Die Wissenschafter müssen in einem Mitgliedsland des Europarats beschäftigt sein. Auch der österreichische Biochemiker Gottfried Schatz ist damit schon geehrt worden.

Enzym entdeckt

Zechner erhält den Preis für seine Arbeiten zum Fettstoffwechsel, die ab 2004 zu einem Durchbruch führten. Er entdeckte gemeinsam mit seinen Kollegen am Institut für Molekulare Biowissenschaften und unter Beteiligung der TU Graz und des Instituts für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien das Enzym ATGL (Adipose Triglyceride Lipase), das für den ersten Schritt beim Abbau von Fettspeichern verantwortlich ist und dadurch eine zentrale Rolle im Energiehaushalt des Menschen spielt.

Seither ist ATGL eine Art Superstar des Stoffwechsels - und zwar auf vielen Ebenen. Einerseits wird die Idee diskutiert, den Fettstoffwechsel des Menschen durch ATGL-Hemmung im Fettgewebe positiv beeinflussen zu können und damit vielleicht die Entstehung von Typ-2-Diabetes zu verhindern.

Defekte Zellkraftwerke

Im Laufe der Zeit wurde aber auch klar, dass das Enzym nicht nur in Fettzellen, sondern auch in anderen Körperzellen eine wichtige Rolle spielt. Das Ausschalten des fettspaltenden Enzyms ATGL in Herzzellen führte zum Beispiel zu defekten Mitochondrien, den Kraftwerken der Zellen, und die betroffenen Mäuse starben an Herzversagen. Unabhängig davon konnte Zechners Gruppe in enger Zusammenarbeit mit einer Gruppe der Medizinischen Universität Graz auch nachweisen, dass mit dem "Abschalten" von ATGL, die mit Krebserkrankungen häufig auftretende Auszehrung (Kachexie) zumindest im Mausmodell verhindert werden kann.

Zechner will das Preisgeld nun verwenden, die biochemische und physiologische Rolle bereits bekannter sowie neuer Enzyme des Fettstoffwechsels aufzuklären. "Wir stehen ja erst am Anfang." Finanziell gut ausgestattet ist Zechner jedenfalls: Er erhält wie die zweite Preisträgerin, Infektionsbiologin Emmanuelle Charpentier vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig 625.000 Franken (rund 612.200 Euro) für ihre Forschung und 75.000 Franken (rund 73.400 Euro) zur eigenen Verfügung.

Und das ist nicht der erste hoch dotierte Förderpreis an den Steirer: Zechner wurde 2007 der renommierte Wittgenstein-Preis von Wissenschaftsministerium und Wissenschaftsfonds FWF verliehen - dotiert mit 1,5 Millionen Euro. 2013 erhielt er vom Europäischen Forschungsrat ERC einen mit 2,5 Millionen Euro dotierten Advanced Grant. Zuletzt wurde auch ein von Zechner geleiteter Spezialforschungsbereich, das Exzellenzprogramm des FWF, verlängert.

Finanzierung ausbauen

Der Wissenschafter könnte also hundertprozentig zufrieden sein: Dennoch wirbt der Biochemiker für mehr Verständnis und Finanzierung für die Grundlagenforschung in Österreich, vor allem wenn es um die Förderung junger Wissenschafter geht.

So werde Anwendungsforschung für die Industrie finanziell besser unterstützt als Wissenschaften an Unis und außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Das sei nicht zuletzt an der viel zu geringen Dotierung des FWF (184 Millionen stehen jährlich im Bundesvoranschlag, siehe Text unten) ablesbar.

Auch das Mäzenatentum in Österreich sei leider nicht ausreichend etabliert - eine von der Politik nun angepeilte Änderung des Stiftungsrechts sollte da langfristig Besserung schaffen. Damit Wissenschafter wie Zechner irgendwann einmal auch von einer österreichischen Stiftung angerufen werden. (Peter Illetschko, DER STANDARD, 21.1.2015)