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Huthi-Milizionäre auf Patrouille in Sanaa. Die Ansar Allah, wie sie sich selbst nennen, kontrollieren seit September die jemenitische Hauptstadt, am Dienstag nahmen sie den Präsidentenpalast ein.

Foto: AP / Hani Mohammed

Die geplanten neuen Regionen des Jemen.

Sanaa/Wien - In der jemenitischen Hauptstadt Sanaa blieben Deeskalationsversuche zwischen Regierung und Huthi-Rebellen am Dienstag erfolglos: Laut Meldungen von Al-Arabiya TV stürmten Milizionäre nach einem kurzen Feuerwechsel am Nachmittag den Amtssitz von Präsidenten Abd Rabbo Mansur Hadi. Dieser hielt sich jedoch in seiner Residenz auf, die laut Meldungen unter schwerem Beschuss stand.

Auch Premierminister Khaled Bahah blieb in seiner Residenz umzingelt. Laut Informationsministerin Nadia al-Sakkaf hatten die Huthis zuvor bereits das staatliche TV-Gebäude und jenes der offiziellen Nachrichtenagentur eingenommen. Am Dienstag sollten Gespräche zwischen Vertretern von Präsidentschaft und der Huthis stattfinden. Bereits am Vortag hatte die Regierung jedoch von einem "Putschversuch" gesprochen.

Unmittelbarer Anlass der Eskalation, die am Wochenende mit der Verschleppung des Stabschefs des Präsidenten, Ahmed bin Mubarak, begann, war der Versuch von Hadi, die neue jemenitische Verfassung auf den Weg zu bringen. Sie ist ein Produkt der Nationalen Dialogkonferenz (NDC), die zehn Monate lang bis Ende Jänner 2014 tagte und dann ihre Ergebnisse, die Grundlage für eine Neuordnung des Jemens werden sollten, vorlegte. Da waren jedoch die Huthis, die seit 2004 in der nördlichen Provinz Saada immer wieder rebellieren, bereits aus dem Dialogprozess ausgestiegen.

Am Samstag sollte der Verfassungsentwurf in einem Gremium mit dem sperrigen Namen "Nationale Behörde zur Überwachung der Umsetzung der NDC-Ergebnisse" diskutiert werden, was jedoch nicht nur die Huthis verweigerten, sondern auch die ehemalige Regimepartei GPC (General People's Congress) des ehemaligen Langzeit-Staatschefs, Ali Abdullah Saleh. Saleh, der als Präsident die Huthi-Rebellion bekämpfen ließ, soll hinter deren Vormarsch stehen, der die Huthis im September zur dominanten politischen Kraft machte. Bevor die Huthis Sanaa unter ihre Kontrolle bekamen, war ihr Aufstand auf die nördliche Provinz Saada konzentriert gewesen.

Die Huthis - ein Clanname - gehören zur zaiditischen (einer schiitischen) Minderheit des Jemen, die bis zur Revolution 1962 die regierende Dynastie im Nordjemen stellte. Die Huthi-Bewegung nennt sich selbst Ansar Allah, sie begann an Kraft zu gewinnen, als sich im Sommer 2014 nach dem Wegfall der Benzinpreisstützungen auch unzufriedene Nichtzaiditen anschlossen.

Sechs neue Regionen

Zu den Punkten in der Verfassung, die die Huthis ablehnen, gehört eine neue föderalistische Einteilung des Jemen in sechs Regionen. Die Zaiditen im Nordjemen würden in der vertikal angelegten Region Azal (siehe Karte) mit Verwaltungsbezirken zusammengeschlossen, mit denen sie sich historisch weniger verbunden fühlen als mit anderen, wie Jawf im Osten und Hajja im Westen - das auch einen Zugang zum Roten Meer hat. Die Absicht ist wohl die Neutralisierung der rebellischen Provinz Saada, die Region Azal hat auch eine viel kürzere Grenze zu Saudi-Arabien als eine horizontal angelegte Region.

Der entführte Ahmed bin Mubarak, ein 46-jähriger Geschäftsmann und Quereinsteiger in der Politik, war Koordinator der Dialogkonferenz und ist Generalsekretär der "Umsetzungsbehörde". Präsident Hadi war einst Salehs Vizepräsident und politischer Weggefährte - dessen GPC schloss ihn kürzlich aus der Partei aus. Als Übergangspräsident hätte er eigentlich nur bis Frühjahr 2014 im Amt bleiben sollen. Auch das - von den USA und den arabischen Golfstaaten unterstützte - jemenitische Transitionsmodell ist nun wohl gescheitert. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 21.1.2015)