Bei seinem zweiten Besuch im Kosovo ging es Außenminister Sebastian Kurz am Montag und am Dienstag auch um die "Stärkung des Dialogs mit der muslimischen Welt" nach den Anschlägen in Paris. Man wolle geschlossen und gemeinsam gegen Radikalisierungstendenzen vorgehen, sagte Kurz in Prishtina. "Alle Entwicklungen zum Positiven wie zum Negativen haben direkte Auswirkungen auf uns. Wir spüren die Entwicklung am Balkan ganz deutlich", so Kurz über sein Engagement auf dem Westbalkan.

Es sei wichtig, eine "gute Achse zu den muslimischen Ländern" aufzubauen, um gemeinsam den IS-Terror zu bekämpfen. Es gehe auch darum zu verhindern, dass Kampf-Rückkehrer aus Syrien in Europa für Unsicherheit sorgten. Kurz sprach in Prishtina von einer "Koalition gegen den IS-Terror". Der Kosovo, ist wie auch Albanien und Bosnien-Herzegowina, ein europäisches Land mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung. In den vergangenen Monaten gingen etwa 100 Kosovaren nach Syrien und in den Irak, um für die Terrororganisation "Islamischer" (IS) Staat zu kämpfen. IS-Kämpfer wählen oft die Route über den Balkan. In den Balkan-Staaten – etwa im Kosovo – wurden zuletzt Gesetze verschärft, um die Rekrutierung von IS-Kämpfern strafrechtlich verfolgen zu können. Dutzende Personen wurden bei Razzien verhaftet. Außenminister Hashim Thaçi betonte bei der Pressekonferenz in Prishtina, dass ein neues Gesetz in Arbeit sei, das den Kampf in fremden Armeen verbieten solle.

Der sunnitische Islam im Kosovo und in Albanien ist zum allergrößten Teil moderat. In den vergangenen Jahren entstanden aber einige wahhabitische Gemeinschaften, die eine salafistische Auslegung des Islam pflegen. Im Kosovo gibt es aber auch intern seit Jahren großen Widerstand gegen den politischen Islam – so ist etwa die kosovarische Ministerin Edita Tahiri strikt dagegen, dass Parlamentarierinnen Kopftuch tragen dürfen.

Bei dem Besuch von Kurz ging es auch um den Dialog mit Serbien, der nach einer zehnmonatigen Pause – weil der Kosovo keine Regierung hatte – am 9. Februar wieder aufgenommen werden soll. Allerdings gibt es schon im Vorfeld Konflikte. Es geht um die Mine im nordkosovarischen Trepča, die die Regierung privatisieren will. Belgrad drohte mit dem Abbruch des Dialogs. Premier Aleksandar Vučić warnte, man werde die "Beschlagnahme von öffentlichem Eigentum Serbiens" nicht erlauben. Die Eigentumsfragen sollten sobald als möglich eröffnet werden. In Prishtina betonte Außenminister Hashim Thaçi hingegen, dass der Kosovo zwar mit externen Experten über das Thema beraten könne, allerdings "keine Verhandlungen mit einem anderen Land führen wird", weil es sich um eine rein kosovarische Angelegenheit handle. Er schloss also aus, dass die Mine Thema des Dialogs mit Serbien wird.

Bisher wurde nur ein kleiner Teil des historischen Aprilabkommens zwischen Serbien und dem Kosovo umgesetzt. Viele Institutionen, wie die Schulen, die Universität, das Krankenhaus im Norden, stehen weiter auf der Payroll von Serbien. Was noch überhaupt nicht umgesetzt wurde, ist die Integration der Justiz in das kosovarische System. Um die Justiz soll es auch bei den kommenden Dialog-Gesprächen gehen. Auch das sogenannte zivile Schutzkorps im Norden – Männer mit blauen Schirmkappen auf denen ein oranges Dreieck zu sehen ist – wurde noch nicht aufgelöst. Das Schutzkorps gehört zu den serbischen Parallelstrukturen. Die kosovarische Regierung hat angeboten, 450 Männer in die Verwaltung zu übernehmen. Insgesamt sollen etwa 700 Leute bei dem Schutzkorps beschäftigt sein. Die Schutzkorps-Leute haben vor allem Angst, dass sie ihren Job verlieren könnten.

Was auch noch nicht umgesetzt wurde, ist der zentrale Teil des Abkommens, der die Gründung einer Vereinigung der sieben serbischen Gemeinden im Kosovo vorsieht. Dafür braucht es politische Verhandlungen zwischen Serbien und dem Kosovo. Bisher wird die Vereinbarung von beiden Seiten grundsätzlich anders ausgelegt. Während man sich in Serbien eine starke Vertretung wünscht, wollen die Kosovo-Albaner in der Assoziation höchstens so etwas wie eine NGO sehen, vor allem aber will man in Prishtina verhindern, dass neben der Gemeindeebene und der staatlichen Ebene noch eine dritte regionale Ebene eingezogen wird.

Kurz betonte, dass Österreich sich auch dafür einsetzen werde, das der Kosovo im Europarat aufgenommen wird – dazu braucht es eine Zweidrittelmehrheit. Der Kosovo wurde bisher von 108 Staaten anerkannt, ist allerdings wegen des Vetos von Russland kein Mitglied der Uno. Der Außenminister meinte zudem, dass auch eine Mitgliedschaft des Kosovo in der Europol und Interpol in Zukunft wichtig sei. Zum Thema Sicherheit sagte der Minister auch, dass man vom Kosovo erwarte, mehr gegen illegale Migration zu tun. "Innerhalb eines Jahres hat sich die Anzahl der Kosovaren, die illegal nach Österreich kamen, verdoppelt."

Thema war auch der zweite große Balkan-Gipfel, der am 27. April in Wien stattfinden wird und zu dem alle Regierungschefs der Region kommen sollen. Den ersten hatte im Vorjahr die deutsche Kanzlerin Angela Merkel initiiert. Diese hat bereits zugesagt, im August nach Wien zu kommen. Dabei sein wird auch die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. Innerhalb des sogenannten "Berlin-Prozesses" sollen die Westbalkan-Staaten vorher Pläne erarbeiten. Kurz dazu: "Willenskundgebungen reichen nicht. Es müssen ganz konkrete Kooperationsprojekte sein." Etwa gemeinsame Grenzkontrollen oder Infrastrukturvorhaben. Es ist ohnehin geplant, dass sich die Energielieferunternehmen in der Region in den nächsten Jahren liberalisieren und dem europäischen Markt öffnen sollen. Heuer soll zudem der Kosovo das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit dem Kosovo unterschrieben wird. Gleichzeitig soll die EU das erste Verhandlungskapitel mit Serbien öffnen.

Kurz forderte in Prishtina auch Reformen, insbesondere bei der Bekämpfung der Korruption und bei der Verbesserung der Investitionsbedingungen ein. Die Kelag plant eine 120 Millionen Euro schwere Investition für ein Wasserkraftwerk im Rugova-Tal. Das wirtschaftlich wichtige Projekt ist aber zurzeit wegen der fehlenden Zustimmung der Gemeinde gestoppt. "Wir haben uns für dieses Projekt stark gemacht, damit endlich die Steine weggeräumt werden, die den österreichischen Unternehmen dauernd in den Weg gelegt werden", so Kurz.

Der Außenminister reiste am Dienstag weiter nach Mazedonien. Auch ein Treffen mit der sozialdemokratischen Opposition stand dort auf der Agenda. In Mazedonien gäbe es insgesamt Negativ-Tendenzen, der Wille zu Reformen habe sich stark verlangsamt, meinte der Außenminister. Kurz kritisierte auch die "rückwärtsgewandte Geschichtsaufbereitung" in Mazedonien, die "nicht zum Wohle der Menschen" sei. Die Regierung unter Premier Nikola Gruevski hat in den letzten Jahren einen stark nationalistischen Kurs eingeschlagen, das Verhältnis zu Griechenland und Bulgarien hat sich dadurch verschlechtert. Mazedonien ist zudem wegen des Namens-Streits mit Griechenland beim EU-Integrationsprozess seit 2005 blockiert. "Es braucht mehr Druck von der EU auf beide Länder. Es darf nicht zugesehen werden, dass sich aufgrund einer solchen Streitigkeit, die Null Relevanz auf das Leben der Menschen hat, ein Land wie Mazedonien eher negativ entwickelt." (Adelheid Wölfl, DER STANDARD, 21.1.2015)