Rhizomatica bringt Mobilfunk in jene Gegenden, in welche die kommerziellen Betreiber nicht investieren.

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Rurale Gegenden in Mexiko kämpfen mit Problemen, wie man sie auch aus vielen ländlichen Arealen Europas kennt. Die Infrastruktur ist in vielen Belangen schlecht ausgeprägt, der Anschluss an das Verkehrsnetz oder Internet unbefriedigend.

In Orten wie San Juan Yaee zeigt sich die Situation besonders drastisch. Obwohl es im Lande mehrere gut ausgebaute Netze gibt, müssen die Einwohner entweder einen Hügel erklimmen oder auf günstige Wetterverhältnisse hoffen, um mit ihren Handys und Smartphones tatsächlich telefonieren oder über das Internet kommunizieren zu können. Denn aufgrund der niedrigen Bevölkerungsdichte und der geografischen Lage lohnt sich für die Mobilfunker der Netzausbau hier nicht. Eine Situation, der man nun mit Eigeninitiative begegnet, wie Wired berichtet.

Mobiltelefonie für 500 Menschen

Rund 5.300 Euro kostet ein Funkturm, der seit Mai 2014 am Dach des örtlichen Verwaltungsgebäudes prangt. Dort ist er fest verankert, um dem oft stürmischen Wetter in der bergigen Region standzuhalten.

Die kleine Konstruktion, zusammengeschweißt aus Altmetall, ist das Rückgrat von Yaees erstem Mobilfunknetz. In den Anschaffungspreis fallen auch zwei Antennen und eine quelloffene Basisstation, die das kanadische Unternehmen Nuran geliefert hat. Das Equipment ermöglicht den etwa 500 Bewohnern Mobiltelefonie zu günstigeren Tarifen als an den meisten anderen Orten des Landes.

Hinter dem Projekt steckt eine NGO namens Rhizomatica, der Netzaufbau in Yaee ist ihre dritte Installation überhaupt. Weitere sechs, ebenfalls im Bundesstaat Oaxaca, sollten noch im gleichen Jahr folgen. Man verfolgt das Ziel, eine der wichtigsten Technologien des 21. Jahrhunderts auch an bislang vernachlässigten Orten zu etablieren. Smartphones gab es in Yaee auch schon vorher, sie dienten der örtlichen Jugend aber primär als Kamera und Musikplayer, außer auf Reisen nach Oaxaca City.

Nachzügler

Entstanden ist das Problem der fehlenden Abdeckung einerseits wegen ökonomischer Gründe, weil der Betrieb von Netzwerkinfrastruktur für 500 potenzielle Kunden sich für die Telekom-Unternehmen nicht rechnet. Andererseits fehlt es an einem gesetzlichen Versorgungsauftrag.

Die Situation hat sich das Land selbst eingebrockt. In den 1980ern gelangte ein Großteil der Marktmacht in die Hände des Multimilliardärs Carlos Slim. Die Preise, so Wired, gelten als hoch, die Servicequalität als niedrig. 2011 nutzten laut offiziellen Zahlen erst 55 Prozent der Mexikaner ein Mobiltelefon. Die Situation am mexikanischen Land ähnelt vielen Schwellen- und Entwicklungsländern.

OpenBSC

"Demokratisierung" lautet ein Lösungsansatz dazu. Im Bereich der Smartphones passiert dies bereits durch immer niedrigere Preise, zumal viele Hersteller ein Auge auf die potenzielle Kundschaft in China, Indien oder Lateinamerika geworfen haben. Mit Initiativen wie jener von Rhizomatica wird auch die Infrastruktur demokratisiert, möglich ist das aber aufgrund von Patenten und proprietärer Technologie erst seit einigen Jahren.

Grundlage ist OpenBSC, entwickelt vom deutschen Hacker Harald Welte auf Basis von Reverse Engineering. Ausgangsmaterial waren alte Basisstationen, die 2006 auf eBay angeboten worden waren. Nun wird das offene Netz im Alltagseinsatz erprobt. Unterstützt wird der GSM-Standard mitsamt 2G-Internet, für die zukünftige Implementation von 3G sucht das Open BSC-Projekt nach Spenden von entsprechendem Carrier-Equipment.

Lebensretter

Über die Anbindung an eine VoIP-Verbindung können die Bewohner von Yaee künftig auch günstige Fernanrufe tätigen. In die USA, wo viele Verwandte wohnen, kostet das Gespräch dann etwas mehr als einen Cent in der Minute. Rund 90 Cent sind es bei Festnetztelefonaten, was eine erhebliche Kostenhürde darstellt. Die Nutzer entrichten neben den Tarifen eine niedrige Grundgebühr, was nach Abzug aller Infrastrukturkosten übrig bleibt, fließt in das Gemeindebudget.

Die DIY-Netzwerke erfüllen dabei wichtige Zwecke. Neben mobiler Kommunikation stellen sie auch eine Versorgung mit Know-how und Wissen aus dem Internet dar. Und in Notfalls-Situationen, etwa Schlangenbissen, können sie Leben retten. Entsprechend groß ist mittlerweile der Andrang an interessierten Gemeinden bei Rhizomatica. (gpi, derStandard.at, 2.2.2015)