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Die Polizei bewacht den Verhandlungssaal bei einem Prozess gegen mutmaßliche Mitglieder terroristischer Vereinigungen am Wiener Landesgericht.

Foto: Foto: Ronald Zak/dapd

Wien - Wie mühsam sich der Kampf gegen Terror für den Staatsapparat gestaltet, zeigt eine aktuelle Statistik aus dem Justizressort, die dem Standard vorliegt: Seit dem Jahr 2003 sind die Verfahren wegen Mitgliedschaft an einer terroristischen Vereinigung nach Paragraf 278b des Strafgesetzesbuches von drei auf gar 71 (im Vorjahr) in die Höhe geschnellt - und den insgesamt 269 Verfahren in diesem Zeitraum stehen gerade einmal sieben Hauptverhandlungen gegenüber.

Ebenfalls auffällig: Schon ab 2010 wurden jährlich mehr als zwei Dutzend solcher Verfahren angestrengt, in diesem Jahr konkret 26. Den größten Sprung aber verzeichnet die Bilanz aus dem Justizministerium zwischen 2013 und 2014 - hier kletterten die Verfahren von 31 auf besagte 71. Dazu kamen im Vorjahr auch noch acht Verfahren gegen unbekannte Täter hinzu.

Phänomen Foreign Fighters

Sektionschef Christian Pilnacek führt diesen steilen Anstieg auf das relativ junge Phänomen der Foreign Fighters zurück, also auf jene Personen, die sich von Österreich aus in den Jihad aufmachen. Denn: "Ein Großteil all dieser Verfahren" habe freilich "islamistischen Hintergrund". Und noch eine beunruhigende Analyse, die sich hinter der Statistik verbirgt, hat Pilnacek parat: Bei den knapp 270 Verfahren handelte es sich nicht immer um Einzelpersonen als Beschuldigte - mitunter gerieten gleich mehrere ins Visier der Justiz, weil sie gemeinsame Sache gemacht haben.

Dass es bisher kaum zu Urteilssprüchen gekommen ist, begründet der Sektionschef so: "Meist ist es nicht einfach, dafür die nötigen Beweise zu erbringen - und manche Verfahren können schlicht deshalb nicht zu Ende geführt werden, weil die Beschuldigten bereits in ein Kampfgebiet gereist sind." Aber, so rechnet Pilnacek auch vor: "24 der 71 im Jahr 2014 angefallenen Verfahren sind noch offen, sodass sich die Verurteilungen noch erhöhen können."

Bis zu zehn Jahre Haft stehen hierzulande darauf, wenn man sich einer Terrororganisation wie dem "Islamischen Staat" oder der Al-Kaida anschließt - und der strenge Paragraf gilt nicht nur für Staatsbürger, sondern auch für Menschen mit dauerhaftem Aufenthaltsrecht.

Automatische Anzeige

Gegen Heimkehrer aus dem Jihad, bisher rund 60 von 170 aufgebrochenen Personen, erstattet der Verfassungsschutz automatisch entsprechende Anzeige - und damit wird gegen sie ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Dasselbe passiert auch bei allen, die eine Ausreise planen, um sich an Kriegshandlungen im Nahen und Mittleren Osten zu beteiligen.

Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) will nun den EU-weiten Entzug des Passes für Terroristen, schon bevor sie am heiligen Krieg teilnehmen können. Damit will er verhindern, dass Personen, die etwa mit der IS sympathisieren, in den Irak oder nach Syrien gelangen, wie Kurz vor einer Debatte der EU-Außenminister am Montag in Brüssel erläuterte.

Kurzsichtiger Vorstoß

Der grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz hegt dazu arge Bedenken, denn: "Bereits jetzt ist es möglich, über Terrorverdächtige U-Haft zu verhängen - und wegen der Tatbegehungsgefahr ist dies auch das geeignete Mittel. Aber bei einem Entzug der Reisedokumente können sich diese Personen dann immer noch ungehindert im gesamten Schengenraum bewegen." Und damit auch viel Schaden anrichten, meint Pilz, er nennt Kurz' Vorstoß daher "äußerst kurzsichtig".

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) wiederum hat bereits auf die Aberkennung der Staatsbürgerschaft von Jihadisten gedrängt. Derzeit ist das nur möglich, wenn diese Personen über eine Doppelstaatsbürgerschaft verfügen, daher hat Kurz am Montag in Brüssel auch dieses Problem thematisiert - und eine Reform jenes Europarat-Abkommens angeregt, das verhindert, dass Menschen in die Staatenlosigkeit abdriften. "Wir wollen künftig verhindern, dass es Rückkehrer gibt", heißt es dazu aus dem Außenamt.

Bloß: Ohne Staatsbürgerschaft und damit ohne gültigen Reisepass wäre auch der weitere Aufenthalt dieser Personen äußerst schwer feststellbar, weil sie dann irgendwo als U-Boot leben. (Nina Weißensteiner, DER STANDARD, 20.1.2015)