Nasenbeinzertrümmerung, Gehirnerschütterung, Brillenhämatom – G. wurde in der U6 übel zugerichtet.

Foto: Robert Newald

Wien – Irgendwie scheint es G. peinlich zu sein, dass die U-Bahn wegen ihm eine Viertelstunde unterbrochen war. Als er Montag vergangener Woche gegen 17.30 Uhr in der U-Bahn-Station Josefstädter Straße aus der Bewusstlosigkeit erwachte, seien die Leute sehr hilfsbereit gewesen. Man habe ihm Taschentücher gereicht, um das Blut, das aus seiner Nase schoss, aufzufangen. Irgendwer hat die Notfalltaste gedrückt, Rettung und Polizei waren schnell zur Stelle. "Rauferei", hieß es in ersten Meldungen. Doch nun muss die Polizei prüfen, ob es sich um einen religiös motivierten Angriff gehandelt hat.

Aus dem Iran geflohen

Die Verletzungen, die G. erlitten hat, sind schwer. Der Amtsarzt stellte eine Nasenbeinzertrümmerung, eine Gehirnerschütterung und ein damit einhergehendes Brillenhämatom (beide Augen blutunterlaufen) fest. Der Mann, der auf ihn eingeprügelt habe, habe ihn schon länger immer wieder bedroht und eingeschüchtert, erzählt G. im Gespräch mit dem STANDARD. G. ist Perser, dessen Familie vor vielen Jahren nach dem Sturz des Schah-Regimes aus dem Iran nach Österreich geflohen ist. Wie viele seiner Generation führt G. mittlerweile ein westliches Leben. Er hat die österreichische Staatsbürgerschaft und ist vom Islam zum Christentum übergetreten. Seine persischen Wurzeln und seine Ablehnung der iranischen Machthaber versteckte er aber nicht. Ein Rest Unsicherheit bleibe immer, sagt er.

Demonstranten fotografiert

Vor mehr als zwei Jahren habe er den Mann, der ihn nun zusammengeschlagen habe, das erste Mal bei einer Anti-Iran-Kundgebung vor dem Parlament wahrgenommen. Dieser Mann mit hennarot gefärbtem Bart habe Kundgebungsteilnehmer fotografiert. Später sei der Mann in G.s kleinem Lokal in Wien-Alsergrund aufgetaucht. "Er forderte mich auf, ihn umsonst zu bedienen, was ich aber abgelehnt habe", erinnert sich G. Daraufhin habe ihn der Unbekannte als "gottlosen Atheisten" beschimpft und bedroht.

Bei einem zweiten Lokalbesuch im vergangenen Herbst habe ihm der Mann vorgeworfen, dass er Alkohol verkaufe. "Die Aggression war religiös motiviert", meint G. Weil sich anwesende Gäste über den Mann beschwert hätten, habe er ihn hinauskomplimentiert.

Lokal aufgegeben

Das Lokal hat G. inzwischen aufgegeben, den Unbekannten habe er aber ein paar Mal auf der Straße wiedergesehen. Ob er nur aufmerksamer gewesen sei oder der Mann ihn, wie es schien, verfolgt habe, kann G. nicht mit Sicherheit sagen. Am Montag vergangener Woche schließlich kam es zu der Begegnung in der U6-Station Josefstädter Straße. Er habe ihm noch aus dem Weg gehen wollen, doch nach einer Schimpftirade habe der Mann zugeschlagen. Bis heute wisse er den Namen des Mannes nicht.

Die Polizei kennt die Identität des Beschuldigten, gegen den eine Anzeige wegen Körperverletzung vorliegt. Er selbst soll behaupten, dass G. den Streit angefangen habe. Nach Informationen des STANDARD handelt es sich um einen afghanischen Staatsbürger aus dem Umfeld einer schiitischen Moschee in Wien-Margareten. (Michael Simoner, DER STANDARD, 20.1.2015)