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Lego als Kunst im Museum - oder als Inspiration für Webentwicklung.

Foto: REUTERS/Francois Lenoir

Vor fünf Jahren war 2010. In fünf Jahren ist 2020. Ja, wir werden alt. Ja, die Welt verändert sich. Fünf Vorhersagen, was uns bis 2020 im Internet und aus SEO-Sicht erwartet.

Aufstieg der smarten Server

Die derzeitigen Server sind "Stupid by Design". Webserver sind darauf konzipiert, simple Jobs gut und schnell zu erledigen. Sehr vereinfacht ausgedrückt, macht ein Server derzeit folgendes: ein Client (Bowser) sagt, "gib" (GET) mir den Inhalt dieser URL, der Server gibt den Inhalt zurück. Dann liest der Client das HTML-Dokument und sagt: "O.k., danke, jetzt gib mir dieses Bild und gib mir jenes Bild, gib mir dieses Stylesheet und gib mir dieses Script". Der Server gibt, gibt, gibt und gibt. Der Client führt das Script aus, analysiert (parst) das Stylesheet und sagt: "O.k., jetzt gibt mir noch das und das und das."

Um das halbwegs performant hinzubekommen, wurden über die Zeit die Clients (Browser) immer gescheiter (Stichwort pre-parsing), aber es muss auch sehr viel Logik in die jeweiligen Applikationen beziehungsweise Websites programmiert werden, damit der Client auch nur die Sachen anfragt, die er jetzt gerade im Moment wirklich braucht.

2015 wird die Spezifikation für HTTP/2 fertiggestellt - die zweite Version des Übertragungsprotokolls des Webs. Sie beinhaltet eine Menge Änderungen und eine massive Richtungsänderung: der Server kann bereits Assets an den Client schicken bevor der Client diese angefragt hat. Übersetzt in einen Dialog:

"Hey-ho Server"

Client: "Hey-ho Server, gib mir bitte den Inhalt dieser URL!"
Server: "Sehr gerne, und hier hast du auch gleich das Script, das Stylesheet und die wichtigsten Bilder."

Dies bedeutet, wir können einen Großteil der Verantwortung, wie die Webapplikation beim Client ankommt, aus der Applikationslogik herausnehmen und zum Server transferieren. Der Server wird smart.

Dies verändert massiv die Art und Weise, wie wir Webseiten erstellen und welche technischen Beschränkungen wir Webseiten umhängen. Die Unternehmen, welche diese neue Methodik als erste effizient übernehmen, werden kompetitive Vorteile haben. Bis 2020 werden sich optimale Umsetzungen der Smart-Server-Technologien und -Prozesse etabliert haben.

CMS-Optimierung

Das Problem mit Redaktionssystemen (CMS) ist, dass sie große monolithische Software-Monster sind, welche die täglichen Arbeitsbedürfnisse von hunderten Anwendern - Personen mit starken Meinungen wie zum Beispiel Journalisten, Redakteuren, Managern - befriedigen muss. Die handelnden Personen müssen in das jeweilige CMS zeit- und ressourcenaufwendig eingeschult werden. Eine jegliche technische Veränderung muss daher intensivst auf Kosten, Nutzen, Verdruss abgewogen werden.

Kein Wunder also, dass so gut wie jedes CMS bereits bei der Einführung technisch veraltet ist und jeden unglücklich macht - obwohl vorher natürlich als allgemeiner Heilsbringer angekündigt.

Gleichzeitig ist aber ein gutes CMS - welche Innovation ermöglicht, anstatt verhindert - der größte kompetitive Vorteil, den ein Content-Unternehmen haben kann. Bis 2020 werden nur noch die Player am Markt sein, welche die CMS Herausforderung erfolgreich gemeistert haben. Ja, ein kompetatives CMS ist so entscheidend.

Robot Journalism

Derzeit belächelt bis ausgelacht, wird 2020 automatisierter Journalismus an der Tagesordnung stehen. Es wird nicht "Robot Journalism" heißen und auch nicht "Aggregation", aber es wird das tägliche Geschäft aller Redaktionen sein.

"Robot Journalism" wird belächelt, weil Leser und User den Artikel als Content-Blob konsumieren: Als Mischmasch von Einleitungstext, Fakten, Bildern, Daten, Infochart, Wortspielen, Cross-Referenzen, kurzer Zusammenfassung des bisherigen Sachlage, Video - oder einfach gesagt, als Artikel. Ziel ist es aber nicht, einen "Artikel wie ein Mensch" zu schreiben - Maschinen sind sehr schlecht darin, Sachen wie Menschen zu machen-, sondern Content-Chunks zur Verfügung zu stellen. Damit lassen sich mit großer Effizienz (schnell, billig, erfüllt einen Qualitätsstandard) Artikel "upgraden". Das derzeitige übliche Artikelformat (Überschrift, Bild, Teaser, Text) ist dafür nur bedingt geeignet, es werden also auch neue Formate das Licht der Welt erblicken.

Linkless SEO

Derzeit stellen Inlinks auf das eigene Webproperty einen - leider - noch immer relevanten Google-Ranking-Faktor dar und damit eine massive, externe Abhängigkeit. Anstatt sich um das eigene (Content-)Produkt und die eigene Website zu kümmern, fließt ein recht großer Anteil an Ressourcen in externes Linkbuilding. Was im Großen und Ganzen meist eine sehr schlechte Investition darstellt, da drei Viertel aller Ressourcen in reines Linkbuilding einfach Verschwendung sind.

Des Weiteren hat sich im letzten Jahrzehnt eine ganze Industrie entwickelt, welche das Ziel hat, Links mehr (Linkbait) oder minder (Paid Links) kreativ zu manipulieren. Dazu wird noch ein ganzes Arsenal an Tools angeboten, um das Backlink-Portfolio mit Fantasiezahlen zu messen und zu managen.

2020 wird das alles der Vergangenheit angehören. Google wird alleine anhand "intelligenter" Content-Analyse, Usage- und Brand-Metrics erkennen, ob eine Seite Traffic verdient oder nicht.

Legoisierung der Webentwicklung

Die Art und Weise, wie wir Webseiten bauen, wird sich bis 2020 nochmals rapide ändern. Die letzte massive Änderung war "responsiv". Die nächste Änderung wird sowohl das Front-End als auch das Back-End betreffen.

Am Backend wird Docker oder eine ähnliche Technologie federführend werden. Docker erlaubt es, die Server-Umgebung aus praktisch fertigen Docker-Images "Lego-like" zusammenzufügen, zu replizieren und in einen neuen Context neu einzusetzen.

Auf der Front-End-Seite kommen Web-Components ins Spiel. Anstatt mit HTML jedes Mal das Rad neu zu erfinden oder sich mit einem Framework einem fremden Diktat zu unterwerfen, kann man sich nun seine Webapplikation aus fertigen, intraoperativen Bestandteilen zusammenstellen und mit geringem Mehraufwand individuell anpassen.

Ein neues Launch-ready-Produkt mit fertigem, skalierbarem Back- und Front-End in einem Sprint von zwei Wochen, das ist 2020 kein Problem mehr! Das macht Freude aufs Alterwerden. (Franz Enzenhofer, derStandard.at, 19.1.2015)