Reichelt strahlt nach seinem ersten Sieg in Wengen.

Bild nicht mehr verfügbar.

Der Sieger kommt angeflogen.

Foto: APA/AP/Tanaka

Bild nicht mehr verfügbar.

Abklatschen mit den Fans.

Foto: APA/EPA/Bott

Dass die Lauberhorn-Abfahrt von Wengen mit 4422 Metern die längste im Weltcup ist, war bekannt. Dass das Rennen dann aber solche Längen haben würde, war nicht zu erwarten. 2:45 Stunden dauerte die Abfahrt am Sonntag brutto. Das stresste die Berichterstatter, die Redaktions- und Sendeschlüsse flotter auf sich zukommen sahen, als gedacht. Einem Herrn durfte das an diesem Tag aber herzlich egal sein. Er sah das Ziel schneller als alle seiner Konkurrenten auf sich zukommen. 2:36,14 Minuten dauerte die Fahrt des Hannes Reichelt.

"Jetzt kann ich wieder einen Klassiker auf meiner To-do-Liste abhaken", sagte der Salzburger und grinste. Der 34-Jährige war nicht als einer der Top-Favoriten für die Lauberhorn-Abfahrt gehandelt worden. Da waren andere: Kjetil Jansrud zum Beispiel, heuer schon zweimaliger Abfahrtssieger und in Wengen einmal Trainingsschnellster. Oder Matthias Mayer – auch einmal Trainingsschnellster. Oder Carlo Janka, Schnellster in der Kombinationsabfahrt und Gewinner der Superkombi am Freitag.

Reichelt hingegen fuhr nur ein Training, schonte sich danach. Eine Erkältung hatte ihn erwischt. Aspirin und Ingwertee aber brachten ihn wieder einigermaßen auf Vordermann. Ganz fit war er freilich nicht. Er sei während seiner Fahrt deutlich früher als sonst müde geworden. Aber dann habe er sich einfach reingehängt. So einen Klassiker will man eben gerne abhaken. 2012 tat er dies in Bormio, im Vorjahr in Kitzbühel – mit einem Bandscheibenvorfall, wie sich danach herausgestellt hatte. Dagegen ist Wengen mit Erkältung quasi ein Klacks. Und überhaupt: Wengen mag Reichelt. Reichelt mag Wengen. "Das Panorama und die Abfahrt sind einzigartig", hatte er schon vor dem Erfolg gesagt. Zweimal Zweiter und einmal Dritter war er davor am Lauberhorn gewesen.

"Die Form passt", ließ Reichelt wissen. In einer Woche ist Kitzbühel. Gegen zwei Hakerln spricht ja auch nichts. Andererseits sind da die Schweizer, die ziemlich gerne zurückschlagen würden. Wäre Reichelt nicht gewesen, die Eidgenossen hätten gar einen Dreifacherfolg gefeiert. Beat Feuz hatte 0,02 Sekunden vor Carlo Janka geführt. Vorjahressieger Patrick Küng fuhr später noch auf Rang vier. Aber Reichelt war, und er vermieste die Party doch ein wenig. 0,12 Sekunden Vorsprung sprachen am Ende für den Radstädter. Bei der letzten Zwischenzeit war er noch hinter Feuz gelegen. Ob er ein schlechtes Gewissen gegenüber den Einheimischen habe? "Nein." Er habe die Hundertstelsekunden schon ein paar Mal gegen sich gehabt.

Mayer im Tiefschnee

Gegen Mitfavorit Mayer sprachen am Sonntag mehr als ein paar Hundertstel. Der Abfahrtsolympiasieger wurde nur 22. mit 2,66 Sekunden Rückstand. Schon nach der ersten Kurve war das Rennen für den Kärntner quasi vorbei. "Ich habe einen Schlag bekommen und bin in den Tiefschnee gekommen." Im ersten Moment habe er sich gedacht: "Wofür fahre ich noch weiter?" Er tat es dann doch. Jansrud fuhr auch ins Ziel, wurde Fünfter. Der Norweger machte damit nur 45 Punkte auf Marcel Hirscher im Weltcup wett, liegt nun 167 Zähler hinter dem Salzburger, der am Samstag im Slalom eingefädelt und damit eine Pleite der Österreicher – kein ÖSV-Läufer unter den besten zehn – eingeleitet hatte.

Apropos Pleite: Rund eine Stunde lang musste die Abfahrt unterbrochen werden, weil der Funkverkehr zusammengebrochen war. Zudem gab es einige Stürze, die aber allesamt glimpflich ausgingen. Reichelt konnten die Längen egal sein. Er hält nun bei neun Siegen im Weltcup, bei zwei in diesem Winter. Die Siegesfeier wird eher nicht lang ausgefallen sein. Kitzbühel wartet. (Birgit Riezinger aus Wengen, DER STANDARD, 19.1.2015)