Seit den Anschlägen auf die Redaktion von "Charlie Hebdo" wird unter geistigen Menschen wieder heftig um den Satirebegriff gerungen. Also durfte auch "Zur Zeit", das Magazin der Freiheitlichen, nicht fehlen, wobei dessen Autoren, sonst eher abendländischer Strenge verpflichtet, in eigener Sache der lockeren Auslegung zuneigen, Satire dürfe alles. Das führt in diesem Milieu dazu, dass sie Beiträge von hohem realsatirischen Gehalt unter die Rubrik Neu denken einordnen, während sie Satire drüberschreiben, wenn ihnen etwas ein ernstes Anliegen ist.
Ersteres ist kürzlich Andreas Mölzer bei dem Versuch gelungen, abgestandene Gedanken durch Wiederkäuen aufzuwerten. Von der "Umvolkung" zum "N . . . konglomerat" lautete der Titel eines Beitrags, in dem er sich seiner Gesinnungsgemeinschaft mit ureigenen Wortspenden zur modernen Zivilisation aufs Neue zu empfehlen suchte. Er kommt offensichtlich nicht darüber hinweg, dass diese sich nicht wie ein Mann hinter ihm scharte, als er besagte Worte in die EU-Wahlauseinandersetzung warf, ihn vielmehr mit einem Dolchstoß von hinten aus dem Rennen warf.
Um ihnen dieses wieder einmal unter die Nase zu reiben, schrieb er über Sprachpolizisten, Denkverbote und Neusprech, also Anmerkungen eines Unbelehrbaren, die selbst unbelehrbaren Freiheitlichen eigentlich schon zum Hals heraushängen müssten. Aber der Schmerz über deren Nibelungentreue sitzt so tief, dass er nicht umhin kann, die Justiz zu Hilfe zu rufen, wenn auch mit einiger Verspätung. Da spielt es dann keine Rolle, daß die Wiener Oberstaatsanwaltschaft nach Rückversicherung mit dem Justizministerium dem Autor dieser Zeilen attestieren mußte, daß mit seiner Wortwahl nicht einmal der "Anfangsverdacht" auf Verhetzung bestünde. Aber Rassist ist Rassist, und das ist schlimmer als Päderrast (sic!), Tantenmörder, Witwenschänder oder Kinderverzahrer.
Dass die FPÖ in Sachen Rassismus an ihre Kandidaten strengere Maßstäbe angelegt haben soll als die Wiener Oberstaatsanwaltschaft nach Rückversicherung mit dem Justizministerium lässt tief blicken und ist keine gute Nachricht für Päderrasten, Tantenmörder, Witwenschänder oder Kinderverzahrer, mit denen Mölzer hier in Konkurrenz um seinen guten Ruf tritt. Nichts darf man mehr sagen. Zigeunerbaron, Zigeunerschnitzel, Nikolaus Lehners "Drei Zigeuner" - es könnte sein, dass hier Nikolaus Lenau Mölzers Neu denken zum Opfer fiel - alles das gehört getilgt aus dem zeitgemäßen Sprachschatz. Und wer es da wagt irgendwelche Umschreibungen zu konstruieren und dabei dem Dogma der absoluten Spaßfreiheit widerspricht, etwa von "stark Pigmentierten" oder von "Escallop romain et sintis" spräche, ist erst recht Rassist. Kann aber sein, dass die Wiener Oberstaatsanwaltschaft hier wenigstens einen "Anfangsverdacht" auf Humor äußert, doch nur nach Rückversicherung mit dem Justizministerium.
Soweit zum Neu denken, doch nun zur Satire. Diese wurde in der jüngsten Nummer unter dem Titel Die Begierde der Caritas angeboten, und ging gleich ins Volle. Seinerzeit hat die Caritas für die Mission gesammelt, damit den Murln der wahre Glaube nähergebracht wird. Jetzt tun die Guten etwas für Obdachlose in Österreich. An sich ein edler Gedanke, man muß sich halt immer vor Augen halten, dass die meisten Sandhasen und Rumbutten an ihrer Lage selber schuld sind. Weil's halt immer bei Wirten gesessen sind und die Fleißigen für dumm angeschaut haben.
Aber schließlich sind es Landsleute, gibt der freiheitliche Satiriker seinem patriotischen Herzen einen Stoß, gestoßen von einem Faltprospekt der Caritas, auf dem eine bemitleidenswerte Gestalt zu sehen ist. In seiner Rechten hält der Zahnlose eine Schale samt Plastiklöffel. Darunter die Wortfolge Schenken Sie zu Weihnachten eine heiße Suppe! Das sehen, und grenzenloser Spaßfreiheit anheimzufallen ist eines. Nun gut, ich schau' noch am 23. Dezember bei meinem Beisel vorbei, lasse mir eine Portion Tagessuppe gut einpacken, fahre mit der Tramway zu Caritas-Zentrale.
Nicht jeder hat den Humor, sich als Blödmann zu outen, der Sandhasen und Rumbutten Suppe flüssig spenden will, statt der Caritas in Geld. Beschämt ob meiner Dummheit ziehe ich mich zurück. Wie beschämt wäre er gewesen, hätte er die Suppe "Licht ins Dunkel" gespendet.
Gut, dass Satire alles darf. (Günter Traxler, DER STANDARD, 17./18.1.2015)