Was im Kaffeehaus verboten ist: Frau-Frau-Kuss ohne Verweis bei der Demo für Gleichbehandlung beim Diskriminierungsschutz von Lesben und Schwulen.

Foto: Christian Fischer

Wien - Schon zum Auftakt der Protestkundgebung "Küssen im Prückel" kamen über tausend Menschen, insgesamt waren es rund 2.000 - doch sie störten keinen einzigen Kaffeehausgast: Das Wiener Traditionslokal am Ring, das nach dem Hinauswurf zweier einander küssender Frauen in die Schlagzeilen geraten ist, hatte am Freitag einen Ruhetag eingelegt und war durch polizeiliche Sperrgitter rundherum abgesichert. Sonst hat das Café Prückel jeden Tag geöffnet, vom 24., 25. und 26. Dezember abgesehen.

Achtung, küssende Menschen!
derstandard.at/von usslar

Aus Protest geküsst und protestiert wurde daher am Freitag dem Prückel gegenüber: Jenseits des Ringes war eine Bühne aufgestellt. Auf Plakaten waren Slogans wie "Gleichgeschlechtliche Liebe ist keine Andersartigkeit" zu lesen, auch T-Shirt-Aufschriften wie "Meine Frau hat den geilsten A... der Welt - mich", getragen von einer jungen Demonstrantin, wurden gesichtet.

Lunacek und Frauenberger

Auf der Bühne fand erst ein Poetry-Slam statt, bevor Künstler wie die Sängerin Christine Hödl auftraten und - danach - Vertreter der SPÖ und der Grünen sprachen: unter ihnen die Vizepräsidentin des Europaparlaments Ulrike Lunacek (Grüne) und Wiens Integrationsstadträtin Sandra Frauenberger (SP). Sie sprachen sich dafür aus, das Gleichbehandlungsgesetz zu novellieren, sodass auch Lesben und Schwule in allen Bereichen geschützt sind.

Der fehlende Diskriminierungsschutz für Homosexuelle bei Dienstleistungen ist auch für Gleichbehandlungsanwältin Ines Grabner-Drews ein Problem. Rund 20 Mal hätten sich in den vergangenen drei Jahren Lesben und Schwule bei ihr beschwert, weil sie aus Cafés, Bars, Restaurants, Schwimmbädern oder Thermen vertrieben worden seien. Rechtlich unternehmen könne sie dagegen nichts: "Laut Gleichbehandlungsgesetz habe ich keine Handhabe", sagt sie.

"Anderes Maß" bei Lesben und Schwulen

In all diesen Fällen sei den Lokalverweisen ein Kuss von Frau zu Frau oder Mann zu Mann vorangegangen, der einem Kellner, Bademeister oder anderen Anwesenden "zu offensiv" und daher "provokant" erschienen sei. In all diesen Fällen hätten die Betroffenen das gar nicht so gemeint. "Bei küssenden Homosexuellen wird ein anderes Maß als bei küssenden Heterosexuellen angelegt", schließt Grabner-Drews daraus.

Die Miteinbeziehung Homosexueller - sowie von Personen, die wegen ihres Alters oder ihrer Religion benachteiligt werden - in den Schutz bei Dienstleistungen ist laut Grabner-Drews dringend geboten. All diese Gruppen hätten etwa auch als Wohnungssuchende größere Probleme. (Irene Brickner, DER STANDARD, 17.1.2015)