Wien - Dass es sich mitunter lohnt zu proben, wissen die meisten Musiker. Wie schön, dass nun auch an der Staatsoper regelmäßig geschieht, was noch vor wenigen Jahren von einem sparsamen Ex-Direktor als Luxus angesehen wurde. Bei der ersten Vorstellung einer kleinen Serie mit Richard Strauss' Salome war die Intensität des gemeinsamen Wollens von Dirigentin Simone Young und dem Orchester von Beginn an zu spüren - ebenso wie eine Genauigkeit in der Abstufung, in der Balance, im musikalischen Fluss, die sich nur aus dem Moment heraus wohl nie erreichen ließe.

Wenige kleine Pannen fielen nicht ins Gewicht - bei so funkelnden Farben, die wohl nur die Wiener Philharmoniker beziehungsweise das Staatsopernorchester mit fast inbrünstiger Lust und zugleich einer Spur Nonchalance lebendig werden lassen können. Kongenial lenkte Young diese Zauberharfe, ließ, ohne Freiheiten zu beschneiden, die Strukturen stets deutlich werden. Und das heißt hier eigentlich, die energetischen Abläufe in ihrer Eigendynamik Gestalt werden lassen, ohne sie in einem Meer von Klängen zu ertränken.

Beides gelang gleichermaßen: der schwelgerische, ans Hysterische anstreifende Ton ebenso wie Klarheit und Durchhörbarkeit. Insbesondere jene Geschichte, die von den "Leitmotiven" erzählt wird, drang dabei aufs Schönste an die Oberfläche. Wie nebenbei trat Young auch den Beweis an, dass sängerfreundliches Dirigieren nicht einfach heißt, die Lautstärke rücksichtsvoll zu drosseln. Stattdessen sorgte sie durch kluge Abschattierungen innerhalb des Orchesters, aber ohne Einbußen der Intensität stets dafür, dass die Stimmen präsent sein konnten, als wäre das das Natürlichste auf der Welt.

Studien der Verderbtheit

Wenn Norbert Ernst mit seinem profunden Rollendebüt als Narraboth feststellen durfte, wie schön Prinzessin Salome "heut' Nacht" sei, hatte das deshalb auch eine andere Bedeutung. Souveräne vokal-psychologische Studien der Verderbtheit boten Herwig Pecoraro und Elisabeth Kulman als ungleiches Herrscherpaar, dem Jochanaan gab Tomasz Konieczny die Aura sonorer Unberührbarkeit.

Und Catherine Naglestad verlieh der Protagonistin abermals Jugendlichkeit und monomanische Glaubwürdigkeit, machte stimmlich wendig die sprunghafte Partie zu einem packenden Psychogramm - bis zu ihrem entrückt strömenden Schlussgesang. Den Staub einer Inszenierung, die da zum 213. Mal gezeigt wurde, ließ dies fast vergessen. (Daniel Ender, DER STANDARD, 17.1.2015)