Unterwegs in Georgetown im Norden Malaysias

Ich bin mir nicht sicher, ob es viele ähnlich bunte Orte auf dieser Welt gibt wie Georgetown im Norden Malaysias: Die Menschen, die hier leben, stammen von Chinesen und Indern ab, von Indonesiern, Burmesen, Thais, Briten, Deutschen und natürlich Malaysiern.

Ein Häuserblock beherbergt eine Moschee, einen buddhistischen Tempel, eine protestantische Kirche und einen Hinduschrein, durch die Gassen klingen Bollywood-Musik und buddhistische Gesänge. All diese Gruppen brachten, als sie irgendwann nach Georgetown zogen, ihre Küche mit – und machten Georgetown damit zu einem Fressparadies.

Zu Fuß und in einem Tag lässt sich hier eine kulinarische Reise von den Wüsten Rajastans bis hin zum Regenwald Sumatras unternehmen, von den Ausläufern des Himalaya bis ins südliche Indonesien. Straßenverkäufer bieten hier indisches Roti neben malaysischem Laksa an, in einem Restaurant gibt es burmesisches Fisch-Curry und um die Ecke Canton Dim Sum.

Vieles davon sieht ähnlich aus wie in seinen Herkunftsländern, hat aber über die Jahrzehnte und Jahrhunderte seinen ganz eigenen malaiischen Stempel bekommen – und das macht das alles in den meisten Fällen noch viel besser, als es ohnehin schon ist.

Foto: Tobias Müller

Manche der ethnischen Gruppen sind schon ewig hier, wie etwa Chinesen (http://en.wikipedia.org/wiki/Peranakan), die vor mehreren Jahrhunderten begannen, von der Insel Hainan und der Provinz Fujian einzuwandern. An der Küste Penangs stehen noch einige der prächtigen Villen, die reiche chinesische Handelsfamilien im 19. Jahrhundert errichteten. Andere Einwanderer kamen etwas später, etwa der Großteil der Inder, die die britischen Kolonialherren als qualifizierte Arbeiter auf die Insel holten.

Foto: Tobias Müller

Im Gegensatz zu ähnlich (wenn auch nicht ganz so) bunten Orten wie London oder New York ist Essen in Georgetown für europäische Verhältnisse immer noch unverschämt billig, und die Garküchenkultur blüht, wie das nur in immer warmen Ländern ohne kleinliche Lebensmittelpolizei möglich ist. Es gibt frischen Fisch und Meeresfrüchte im Überfluss, genauso wie tropische Früchte und Kräuter.

Und im Gegensatz zum Westen werden hier nicht (oder viel weniger) die großen, fleischfressenden Fische verspeist, die hoch oben in der Nahrungskette stehen und deren Fang die Meere leert. Der wichtigste Speisefisch ist hier die Sardine.

Foto: Tobias Müller

Shrimpspaste und getrocknete Minifische, Gärgemüse, Limetten, Assam, Ingwerblüten und Chilis in allen möglichen Formen sorgen dafür, dass bitter, sauer und scharf viele Gerichte dominieren – Geschmäcker, die in Europa viel zu selten von der Leine gelassen werden.

Foto: Tobias Müller

Morgens und mittags wird an vielen Orten hier Nasi Kandar geboten, die malaysische Interpretation des Mittagsbuffets. Klingt schrecklich, ist aber, je nach Buffet-Koch, ganz großartig.

Die Gäste bekommen einen Teller Reis in die Hand gedrückt und dürfen sich dann aus einer oft schwindererregenden Anzahl an Currys selbst bedienen. Die Buffets gibt es in indischer, malaiischer und indonesischer Ausprägung.

Foto: Tobias Müller

Mittags drängen und schieben sich hier viel zu viele Menschen um die zahlreichen Töpfe. Beim ersten und zweiten und dritten Besuch gehen dem Esser hier die Augen über, weil er nicht weiß, wo er anfangen soll. Gott sei Dank ist es nicht so wichtig, in welchen Topf man greift, weil eigentlich alles köstlich ist.

Es gibt gebratene Sardinen in süßer Zwiebelsauce oder scharfer Chili-Suppe, Kokosnuss-Currys, Sojasauce-Eier und Jackfruit-Eintopf, Melanzani in bitterer Suppe, sauer eingekochte Gurken oder winzige frittierte Fische mit Erdnüssen.

Foto: Tobias Müller

Die Malaysier (im weitesten Sinn) sind große Suppenköche und verstehen es, dem Wasser hier hervorragenden Geschmack zu geben. Sie kochen Suppen aus Enten und Hühnern, Shrimps, Fisch, und Schwein, manchmal aus einem Tier, manchmal aus allen zusammen.

Wer sich hier durchisst, der merkt, wie traurig es um die angeblich einst so reiche österreichische Suppenkultur bestellt ist. Ein möglicher Grund: Aus unseren Märkten und Töpfen sind all die Köpfe, Füße, Schwänze und all die anderen Teile verschwunden, die Suppen gut machen.

Foto: Tobias Müller

Die vielleicht berühmteste malaysische Suppe ist das Laksa. In Penang wird Assam Laksa serviert, eine dicke Fischsuppe (oft aus getrockneten Sardinen) mit breiten Reisnudeln.

Im Idealfall wird sie mit frischer Ingerwblüte, Minze, Thai-Basilikum und Gurken garniert und schmeckt sauer, scharf und sehr fischig – der ideale Snack an einem tropischen Nachmittag.

Foto: Tobias Müller

Auch in Penangs beliebtestem Dessert dürfen Nudeln nicht fehlen: Für Cendol werden sie aus Reismehl gemacht, das wiederum mit dem Pandan-Blatt grün eingefärbt wird.

Das Ganze wird in Kokosmilch und Palmzucker mit roten Bohnen und jeder Menge Shaved Ice serviert. Schmeckt nicht ganz so verrückt, wie es aussieht, und ist herrlich erfrischend.

Foto: Tobias Müller

Mein vielleicht liebstes Penang-Frühstück: Rübensterz, der in reichlich Schweineschmalz und Chili gebraten wird. Süchtig machend – vor allem, wenn der Wok über offenem Feuer steht, das allem eine leichte Rauchnote verleiht.

Foto: Tobias Müller

Vor allem zwei chinesische Küchen finden sich in Penang: die Xianwei-Küche aus Fujian und die Kanton-Küche Guangdongs und Hongkongs. Von den Penang-Chinesen wurden beide malayisiert: mehr frische Kräuter wie Ingwerblüten oder Koriander, weniger Öl, dafür kräftigere Fischsaucen und Shrimpspaste.

Dem in China so verehrten Schweinebauch wird auch hier gehuldigt, allerdings wird er gern mit Trockenshrimps gewürzt. Die klassischen Gemüse-Stirfrys bekommen eine ordentliche Portion Shrimpspaste ab, was ihnen einen herrlich fischig-bitteren Geschmack verleiht.

(Im Bild: gedämpfter sauer-scharfer Fisch und frischer Tofu mit Shrimps)

Foto: Tobias Müller

Die Dim-Sum-Häuser servieren in der Früh gedämpfte Teigtaschen, mittags dann aber Fischball-Suppe. Der in Hongkong so beliebte gedämpfte Fischkopf wird hier nicht mit fermentierten Sojabohnen, sondern mit dünnen Nudeln und Ingwer serviert.

Eine meiner allerliebsten Suppen in Penang war eine Abfallverwertung: Kiam Chai Boi, eine Suppe aus Entenknochen, vergorenem Senfgemüse, Chilis und Assam. Sauer, scharf, süß, fleischig, herrlich.

(Im Bild: Fischkopf auf chinesisch-malaysisch)

Foto: Tobias Müller

Sehr beliebt: Hongkong Barbecue, für das Enten und Schweine stundenlang in großen Betoneiern bei niedrigen Temperaturen über Kohlen garen, bis sie butterweich und rauchig sind.

Der Herr, der hier gerade Ente schneidet, hat mir eine meiner besten Enten beschert. Er serviert sie mit Gurken, einer süßen Pflaumensauce und Reis, dazu gibt es Suppe aus Entenknochen. Das Ganze ist ähnlich wie die Pekingente, schmeckt aber meiner Meinung nach deutlich besser.

Foto: Tobias Müller

Ebenfalls von den Kantonchinesen importiert (die es sich wiederum von den Portugiesen abgeschaut haben): die Eiertarte, zarter Mürbteig, der mit einem kräftigen Eierpudding gefüllt wird.

Diese entzückende alte Dame macht eine besonders üppig-zarte Variante und verkauft außerdem ganz hervorragende gefüllte Sesam-Klebreis-Bällchen.

Foto: Tobias Müller

Wenn es eine Sache gibt, die all die vielen Ethnien Malaysias in Penang eint, dann ist es die Liebe zum Kopi, dem malaysischen Kaffee.

Dieser wird in Butter und Zucker geröstet und dann entweder heiß und schwarz oder kalt mit Milch und mehr Zucker ausgeschenkt. Die Malaysier diverser ethnischer Hintergründe trinken ihn leidenschaftlich gern und den ganzen Tag über.

Wer herkommt: zahlreiche Fresstipps und Hintergrundinfos finden sich in diesem großartigen Blog:

http://eatingasia.typepad.com/eatingasia/penang/

(Tobias Müller, derStandard.at, 18.1.2015)

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