So wie in Griechenland wird auch in Italien das Staatsoberhaupt nicht in direkter Wahl des Volkes, sondern durch dessen Vertreter im Parlament bestimmt. In Athen hat man damit bereits Neuwahlen vom Zaun gebrochen, und auch in Rom droht nach dem Rücktritt des greisen Giorgio Napolitano ein ähnliches Szenario - es wäre eines mit düsteren Perspektiven für das Land.

Seit Wochen schwirren in den römischen Couloirs die Gerüchte herum. Egal, wessen Name geflüstert wird - die Ex-Premiers Romano Prodi, Massimo D'Alema, Giuliano Amato oder sogar EZB-Präsident Mario Draghi: Sie alle riechen nach Establishment. Einen von ihnen zu wählen bedeutet die Fortsetzung der alten Politik mit alten Mitteln.

Wenn es Italien wirklich ernst ist mit seiner Erneuerung, und das beteuert zumindest Ministerpräsident Matteo Renzi immer wieder, dann sollten sich die römischen Königsmacher überlegen, ob es nicht Zeit für eine Königin ist. D'Alema & Co sind zwar erfahrene und international respektierte Männer, doch sie alle sind belastet aus Zeiten der sattsam bekannten politischen Frontenkriege. Keiner von ihnen steht für Ausgleich, keiner von ihnen würde Brücken über die Abgründe der italienischen Politik bauen können. Eine Frau, bisher bestenfalls in der dritten oder vierten Reihe zu finden, wäre ein Signal dafür, sich etwas Neues zu trauen. Doch damit ist nicht zu rechnen; dafür fehlen in Rom sowohl Mut als auch Weitsicht. (Gianluca Wallisch, DER STANDARD, 15.1.2015)