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Mädchen stehen auf Selfies, wie diese junge Frau, die vor der Christusstatue in Rio de Janeiro für sich selbst posiert. Für 41 Prozent der weiblichen Jugendlichen ist es ein wichtiger Bestandteil der Computernutzung, digitale Fotos zu machen und zu teilen, aber nur für 29 Prozent der Burschen.

Foto: REUTERS/Tony Gentile

Wien - Online-Banking, Social Media oder Computerspiele: "Digital Literacy" ist Teil des täglichen Lebens. Auf Deutsch spricht man von "Digitalkompetenz", und diese sei "Hilfsmittel, um am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben", sagt Bernhard Ertl vom Department für interaktive Medien an der Donau-Uni Krems. Er beschäftigt sich mit der genderspezifischen Nutzung technischer Geräte unter Jugendlichen. In seiner Forschung stützt sich Ertl auf die Fragebogenuntersuchung "Promoting Equality in Digital Literacy" (Predil), bei der 166 14- bis 19-Jährige zu ihrem Computerverhalten befragt wurden. Eine Altersgruppe, die kurz vor der Entscheidung, ins Berufsleben einzutreten, steht. Ihre "digitale Aktivität wirkt sich auf diese Entscheidungen aus", sagt Ertl.

Bei der Befragung stimmten 78 Prozent der befragten Schüler und 28 Prozent der Schülerinnen der Aussage zu, dass Jungen besser im Umgang mit dem Computer seien als Mädchen. Nur sieben Prozent der Schülerinnen - und kein einziger Schüler - widersprachen dem. "Es wird angenommen, dass Jungen sich besser mit Computern auskennen, dabei sind es Mädchen, die sie intelligenter nutzen", sagt Ertl. Sie verwenden Computer für "kreative und produktive" Dinge - etwa für Recherchen.

Im schulrelevanten Kontext wurden bei der Erhebung kaum Differenzen gefunden. Standardprogramme, wie jene zur Textverarbeitung oder Tabellenkalkulation, sind zum Lernen bei Schülern und Schülerinnen gleichermaßen beliebt. Nur Präsentationssoftware wird deutlich häufiger von Mädchen genutzt.

Große Unterschiede zeigen sich hingegen in der Freizeit. In der Studie "Jugend, Information, (Multi-)Media" gaben Mädchen vermehrt an, Fotos zu teilen - während Burschen lieber am Computer spielen: 48 Prozent der männlichen, aber nur 14 Prozent der weiblichen Schüler der 1201 befragten Zwölf- bis 19-Jährigen vertreiben sich ihre Zeit mit Gaming.

Digitale Rollenbilder

"Genderunterschiede in der Mediennutzung beginnen früh", sagt Ertl. Von klein auf werden Kindern geschlechterspezifische Vorstellungen mitgegeben und Rollenbilder vorgelebt. Eltern und Kindergartenpädagogen zeigen, was zum jeweiligen Geschlecht passt. "Dadurch werden Werte sozialisiert, die übernommen werden." Gleichzeitig werden bereits Kompetenzen zugeschrieben, wer "besser" mit welchen Programmen umgehen kann. Das Bild, Jungen würden sich mit Technik besser auskennen als Mädchen, wird in der Schule weiter gefestigt: "Im Unterricht werden Schüler häufiger von Lehrenden um Hilfe gebeten, wenn es technische Probleme gibt", sagt Ertl. Dies wirke sich auf das Selbstvertrauen in die eigene Digital Literacy aus.

Die vorgegebenen Rollen beim Gebrauch von digitalen Medien werden im Teenager-Alter zum Teil des Selbstbilds. "Jugendliche gestalten ihre Identität und wollen dabei Akzente setzen", sagt Ertl. Der Computer als "umfassendes Kommunikationsmedium" hilft dabei, in der Gruppe "anzukommen". Sind im Freundeskreis nur bestimmte Anwendungen angesagt, probieren Jugendliche andere Anwendungen gar nicht erst aus und sammeln so keine Erfahrungen mit Bereichen, in denen sie möglicherweise Potenzial hätten. Bei den Jungen ziehen Sport-Apps, Mädchen mögen Messenger-Programme.

Wichtig sei es daher, Jugendlichen "Erfahrungsräume" zu geben: "Wenn sie selber randürfen, merken sie bereits, wie viele Kompetenzen sie haben." Falsche Zuschreibungen seien "fatal". Mädchen würden sich durch sie eher für Fächer und Berufe entscheiden, in denen sie weniger verdienen. Jungen überbewerten sich eher. "Beispielsweise in den Ingenieurwissenschaften scheitern viele männliche Studenten, weil sie sich überschätzen", sagt Ertl. Wenn es Mädchen in diese Studienfelder schaffen, ziehen sie es zumeist auch durch. (Oona Kroisleitner, DER STANDARD, 14.1.2015)