Wie groß sind die Giganten der Meere tatsächlich? Eine aktuelle Studie zeigt, dass man bei den meisten Angaben Abstriche machen muss.

Grafik: Matthew Maxwell and Pablo Alvarez Vinagre at StudioAM

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2007 fingen neuseeländische Fischer in antarktischen Gewässern diesen Koloss-Kalmar mit einem Gewicht von 495 Kilogramm und einer Länge von über vier Metern. Die Spezies gilt damit als schwerste Kopffüßer-Art der Erde.

Foto: (AP Photo/San Aspring crew of Sanford fishing company

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Der Blauwal behält auch weiterhin seinen Status als größtes Tier aller Zeiten. Die Studie konnte im Unterschied zu den meisten anderen untersuchten Arten die allgemein verbreiteten Größenangaben für den Blauwal bestätigen: 33 Meter misst das längste verlässlich vermessene Exemplar.

Foto: REUTERS/Joshua Barton

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Dafür gelten die üblichen maximalen Größenzahlen von weit über 20 Metern für den Walhai eher als übertrieben. Der größte Fisch der Welt erreicht eine verbürgte Länge von knapp unter 19 Meter.

Foto: REUTERS/Jonathan Green/Galapagos National Park

Santa Fe - Die Giganten unter den Geschöpfen der Ozeane lieferten in der Vergangenheit Stoff für zahllose Mythen und Legenden. Geschichten von Riesenkraken, die ganze Segelschiffe in die Tiefe reißen und gewaltigen Walen, die wie schwimmende Inseln durch die Meere pflügen, finden ihre modernen Fortsetzungen in teils maßlos überhöhten Größenangaben durch Seeleute wie Forscher gleichermaßen. Wie wenig die selbst in der wissenschaftlichen Literatur angeführten Dimensionen mit der belegbaren Datenlage übereinstimmt, hat nun eine internationale Gemeinschaftsstudie, die im Fachblatt "PeerJ" vorgestellt wird, nachgewiesen.

Die Forscher griffen dabei 25 Arten aus unterschiedlichen Tiergruppen heraus und verglich die kursierenden Größenzahlen mit unterschiedlichsten Datenbanken und historischen Aufzeichnungen. Zudem prüften die Wissenschafter Exemplare aus Museen, tauschten sich mit anderen Forschern aus und schauten sogar, ob Tiere bei eBay verkauft wurden, um deren Größe zu erfahren. In ihre Studie flossen nur Angaben ein, die eindeutig belegt waren. Das Ergebnis: Die meisten immer wiederkehrenden Größenangaben sind übertrieben.

Geschrumpfter Riesenkalmar

Besonders drastisch zeigt sich das für den Meeresbiologen Craig McClain vom US-amerikanischen National Evolutionary Synthesis Center (NESCent/Durham) am Beispiel des Riesenkalmars (Architeuthis dux): "Schon vor einigen Jahren fiel mir auf, dass immer wieder gesagt wurde, der Riesenkalmar könne bis zu 19 Meter lang werden - eine unglaubliche Länge", erinnert sich McClain, der die Studie verantwortet hat. Tatsächlich konnte das Team um den Biologen lediglich eine Länge von zwölf Metern verifizieren.

Im Falle der Riesenkalmare wird jedoch auch ein Grund für die übertriebene Größenangabe deutlich: Wenn diese verwesen, lockern und dehnen sich die Muskeln der Tiere - dies könnte dafür gesorgt haben, gerade die ersten Berichte über die Länge von Riesenkalmaren zu verfälschen. Weitere Fehlerquellen könnten unterschiedliche Messmethoden und Umrechnungsfehler bei den Längenangaben insbesondere zu Beginn der Aufzeichnungen sein. Zwar ist Architeuthis dux damit immer noch der längste bekannte Kopffüßer, als deutlich schwerer gilt dagegen der Koloss-Kalmar (Mesonychoteuthis hamiltoni). Ein im Jahr 2007 in antarktischen Gewässern gefangenes Exemplar wog 495 Kilogramm.

Walhai verlor 2,5 Meter

Der beeindruckende Walhai (Rhincodon typus), größter bekannter Fisch, verlor durch die Arbeit der Wissenschafter gut 2,5 Meter seiner Maximallänge: Nach Ansicht der Forscher ist lediglich die Größenangabe von 18,8 Meter verbrieft.

Beim Weißen Hai (Carcharodon carcharias) korrigierten die Wissenschafter die Maximalgröße von über 8 auf 7,13 Meter. Im Durchschnitt hätten Weiße Haie allerdings eine Länge von 3,81 Meter - gerade nach Haiangriffen würde hingegen oft über wesentlich größere Tiere berichtet. Hier vermuten die Forscher einen Zusammenhang zwischen der Schwere der Attacke und der Wahrnehmung der Größe. "Schließlich ist eine Geschichte über einen kümmerlichen Hai, der Schaden zufügt, nicht ganz so beeindruckend", heißt es dazu in der Studie.

Für die beteiligte Biologin Meghan Balk von der Universität von New Mexico macht die Studie deutlich, wie stark die Größe innerhalb einer Spezies variieren kann. Schon die Entwicklung von der Geburt eines Lebewesens bis zum ausgewachsenen Status beinhalte eine Vielzahl an Größen. "Gerade die größten Vertreter einer Art sind oft nicht die fittesten", so Balk. Die Frage laute, wie nützlich es sei, groß zu sein. So zeige nicht zuletzt das Beispiel von Robert Wadlow, dem mit 2,72 Meter größten bekannten Mensch der Welt, dass größer nicht immer hilfreich sei: Wadlow starb mit gerade einmal 22 Jahren an einer Infektion - nicht selten würde eine anormal große Körpergröße zu gesundheitlichen Problemen führen.

Größe als Wettbewerbsvorteil

Beim Blauwal (Balaenoptera musculus) bedeute Größe hingegen einen Wettbewerbsvorteil: In Zeiten einer Futterknappheit erlaube ihm seine Masse, zu Plankton-reicheren Gefilden zu wandern, ohne zu verhungern. Er kann auch nach der aktuellen Studie 33 Meter lang werden, was in etwa dem bisher angegebenen Rekord entspricht. Allerdings werde er je nach Region auch oft viel kürzer, und insbesondere die Messungen vor 1920 seien wenig vertrauenswürdig.

Bei den insgesamt 25 überprüften Spezies an Meeresgiganten nahm die Arbeit selbst gigantische Ausmaße an. Das Forscherteam entschied sich daher auch für die Hilfe sozialer Netzwerke und Medien: So waren auch Studenten eingeladen, teilzunehmen und ihre Ergebnisse auf dem Weblog www.storyofsize.com zu posten sowie zu twittern. (APA/red, derStandard.at, 13.01.2015)