Freetown, die Hauptstadt von Sierra Leone, und deren Umgebung ist derzeit der "absolute Ebola-Hotspot". Von den 250 bis 500 Neuerkrankungen, die pro Woche in dem westafrikanischen Staat diagnostiziert werden, entfallen mehr als 50 Prozent auf diese Region. Das sagte Marcus Bachmann, Einsatzleiter von Ärzte ohne Grenzen (MSF - Medecins Sans Frontiere).
175 MSF-Mitarbeiter
Unter der Regie des gebürtigen Osttirolers wurde im Vorort Kissy ein Behandlungszentrum errichtet, das am Freitag die ersten Patienten aufnahm und im Endausbau über 80 Betten verfügen wird. Die Hälfte davon ist für werdende Mütter vorgesehen. "Schwangere hatten bisher überhaupt keinen Zugang zur Ebola-Behandlung. Im größten Geburtshilfe-Krankenhaus von Freetown werden Frauen bei Ebola-Verdacht nur isoliert, aber nicht behandelt, da das Spital nicht über die Voraussetzungen verfügt", sagte Bachmann.
Im Behandlungszentrum in Kissy sind vorläufig 150 nationale und 25 internationale Mitarbeiter von MSF tätig, Equipment und Medikamenten werden ebenfalls von der Hilfsorganisation zur Verfügung gestellt. In gut einer Woche soll die Mitarbeiterzahl auf 250 erhöht werden. Die Tage vor der Eröffnung wurden Simulationsübungen in voller Schutzausrüstung absolviert, die Mitarbeiter seien "hoch motiviert", sagte Bachmann.
Unzureichende Behandlung
Sierra Leone ist derzeit am massivsten von Ebola betroffen. Zwei Drittel bis 70 Prozent aller Neuerkrankungen in Sierra Leone, Liberia und Guinea entfallen auf den Staat. Von den 120 Ärzten, die es in dem bitterarmen Land gab, sind elf an der Infektionskrankheit gestorben, jüngst "vier allein in einer Woche", sagte Bachmann. Mehr als 500 Mitarbeiter im Gesundheitswesen haben sich mit dem Virus infiziert, 400 von ihnen sind gestorben. Die Behandlungsmöglichkeiten im Land sind völlig unzureichend.
Das richtige Verhalten der Menschen, um sich vor einer Ansteckung zu schützen, sei immer noch "zu wenig ausgeprägt", meinte Bachmann. Speziell Beerdigungsriten seien ein Problem - nicht nur für Unwissende. Ein Drittel des Gesundheitspersonals, das sich im Dezember infizierte, hätte sich bei Begräbnisritualen angesteckt, so der MSF-Projektleiter: "Es hängen zwar überall Plakate und Banner mit der Warnung 'Ebola is real' und auch im Radio laufen Spots. Aber in der Wahrnehmung der Menschen ist diese Tatsache noch nicht vollkommen angekommen", meinte Bachmann.
Auch Malaria-Vorsorge
Da Ebola in Westafrika nicht die einzige lebensbedrohende Krankheit ist, ist das Team des Österreichers in Sierra Leone parallel auch in Sachen Malaria aktiv: Die Mitarbeiter der Organisation sind im Dezember in der Hauptstadt-Region eine Woche lang von Tür zu Tür gegangen, um Malaria-Medikamente an 1,5 Millionen Menschen zu verteilen.
Mitte Jänner wird eine zweite derartige Aktion durchgeführt, dann will man sogar 1,9 Millionen erreichen. "Das ist eine unglaubliche Herausforderung", sagte Bachmann. "Man muss die Menschen überzeugen, die Medikamente richtig zu nehmen, darf wegen des Ebola-Risikos niemanden berühren, sich nicht hinsetzen oder anlehnen. Es bedarf höchster Konzentration den ganzen Tag über. Hut ab vor dem Team." (APA, derStandard.at, 12.1.2015)