Wien - Eine Tanzperformance Symposium zu nennen, wie das Elisabeth B. Tambwe mit ihrem neuen Stück getan hat, ist keine schlechte Idee. Denn dieser Begriff versetzt heute vor allem jene in freudige Erregung, denen Theorie und Wissenschaft Herzensanliegen sind. Für den Rest hat das Wort einen trockenen Beigeschmack. Dabei bezeichnete "Symposion" im Griechischen einmal eine kollektive Kehlenspülung mit eher Wein als Wasser, die kultisch-intellektuelle Genüsse anheizte.

Musen, Philosophinnen

Hinter Tambwes Symposium, das am Wochenende im Tanzquartier Wien zu sehen war, stehen - symbolisch und leicht schwankend - die beiden Musen Terpsichore und Thalia, die für Tanz und Theater zuständig waren. Außerdem, dichter benebelt und nur für Fans der griechischen Mythologie erkennbar, die Geschichtlerin Klio, die Philosophin Kalliope und die liebesdichterische Erato. Tatsächlich im Stück zu sehen sind Adriana Cubides, Radek Hewelt und, als Symposiarchin, die 1971 in Kinshasa geborene, nach Frankreich und später Österreich übersiedelte Choreografin selbst.

Von Nüchternheit gibt es in diesem Symposium keine Spur. Zu Beginn versammelt sich das Publikum auf der Bühne, wo Cubides mit einer Leiter rangelt, Hewelt in ausgestopftem Gewand am Rand des Zusammenbruchs umhertigert und Tambwe im pinken Bodysuit mit ihren Gästen parliert. So gewöhnen sich alle an eine etwas verwirrende Situation.

Alkoholische Gaben werden ausgespart. Aber das Publikum erhält, sobald es auf die Zuschauertribüne übersiedeln darf, Schriftstücke ausgehändigt: Pornohefte, deren Titel- und Rückseiten sorgfältig überklebt wurden, und in deren explizites Inneres eine Rede des französischen Ex-Präsidenten Nicolas Sarkozy integriert ist. Womit - Stichwort Integration - auch schon auf den Inhalt des Stücks angespielt wäre.

Historische und gegenwärtige Formen des Kolonialismus sind Elisabeth B. Tambwes künstlerische Leitmotive, angereichert mit Fragestellungen zur ästhetischen Hegemonie des (Nord-)Westens im globalen Kunstbetrieb. Im weiteren Verlauf des Stücks wird deutlich, dass Tambwe darin weniger sich selbst, Cubides oder Hewelt zum Tanzen bringt. Sondern eher eine Fülle von Bildern und Referenzen, denen die Performer nur als Trägerfiguren dienen.

Das gelingt nicht immer: Ein Versprecher macht etwa aus Schwarzenegger das Wort Schwanznigger (eine Anspielung darauf, dass Rassismus in der Sprache verkapselt sein kann), und als ausgeleierte Metapher für Politpornografie dient die sexuelle Pornografie. Treffender hingegen werden leere Filme projiziert, und tritt die Popkultur als Lustdiskursmaschine auf, die alles durchfaschiert, bis das kulturelle Gedächtnis in Amnesie verdämmert.

Als Symposiarchin zeigt Tambwe überdies autoritäres Gehabe innerhalb des Kunstschaffens auf. Und, dass Darsteller den Mut haben müssen, sich dagegen aufzulehnen. Das jedenfalls gehört zu den gelungenen Elementen in dieser insgesamt ambivalenten Arbeit. (Helmut Ploebst, DER STANDARD, 12.1.2015)