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"Pegida"-Aufmarsch in Dresden, 5. Jänner 2015

Foto: EPA/ARNO BURGI

Wer könnte daran schon Anstoß nehmen? In aller Welt zeigen Menschen Anteilnahme, wollen Charlie sein, recken Bleistifte in die Höhe und zünden Kerzen an. Auch Pegida ("Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes") hat sich etwas ausgedacht.

Am Montag, zum nächsten "Abendspaziergang" in Dresden, mögen die Spaziergänger bitte mit Trauerflor für die Opfer von Paris erscheinen, lautet der Aufruf auf der Pegida-Website. Und weiter: "Wir werden der Opfer in Würde gedenken." Man ist bemüht, nicht zu triumphieren - wenngleich es nicht gänzlich gelingt.

"Die Islamisten, vor denen Pegida seit nunmehr 12 Wochen warnt, haben heute in Frankreich gezeigt, dass sie eben nicht demokratiefähig sind, sondern auf Gewalt und Tod als Lösung setzen! Unsere Politiker wollen uns aber das Gegenteil glauben machen. Muss eine solche Tragödie etwa erst in Deutschland passieren???" - so lautete die erste Pegida-Reaktion auf den Anschlag von Paris.

Vielleicht nicht ganz so optimal, muss man sich daraufhin gedacht haben. Denn wenig später folgt eine Bitte: "Nehmen wir dies nicht zum Anlass, uns damit zu brüsten, wir hätten es ja schon immer gewusst. Nein, eben weil wir keine Schreihälse sind, als die wir verunglimpft werden."

18.000 Menschen waren am vergangenen Montag dem Aufruf von Pegida in Dresden gefolgt. Das war vor Paris. Wie viele diesen Montag aufmarschieren werden, ist unklar. Die Dresdner Polizei rechnet jedenfalls mit sehr viel mehr Teilnehmern und wird ihre Präsenz verstärken. Was im Rest der Republik passiert, ist kaum vorhersehbar. Zunächst waren lokale Pegida-Ableger wie die Schwammerl aus dem Boden geschossen: Bogida (Bonn), Dügida (Düsseldorf), Hagida (Hannover), Kagida (Kassel), Kögida (Köln) und - orthografisch nicht unbedingt nachvollziehbar - Bärgida in Berlin.

Dunkles Brandenburger Tor

Doch vergangenen Montag ließ sich doch erlahmender Protesteifer beobachten. Außerhalb von Dresden kamen jeweils nur einige hundert Demonstranten zusammen. Diese hatten es nicht leicht: Ihnen stellten sich in allen Städten (außer Dresden) deutlich mehr Pegida-Gegner entgegen - insgesamt 46.000. In Köln lag der Dom im Dunkeln, in Berlin das Brandenburger Tor. Die Stadtverwaltungen wollten den Pegidisten keine schöne Kulisse bieten.

Seit Neuestem jedoch bekommt Pegida politische Unterstützung. Nicht nur die NPD findet die Pegida-Proteste gut, seit dieser Woche versucht auch die AfD (Alternative für Deutschland) aus der Bewegung Kapital zu schlagen. Es gab - am Tag des Pariser Anschlags - in Dresden ein erstes Treffen und Kennenlernen von AfD- und Pegida-Vertretern.

Rigorose Einwanderungspolitik

Wie Pegida macht sich auch die AfD für eine rigorosere Einwanderungspolitik stark. Dementsprechend misstrauisch wird die Annäherung von Pegida und AfD von den etablierten Parteien in Deutschland beobachtet.

Ihr Albtraum: Die beiden schließen sich zusammen, dadurch könnte es dann auch eine rechte Bewegung in Deutschland dauerhaft in die Parlamente schaffen. Die AfD sitzt ja immerhin schon in drei Landtagen (Brandenburg, Sachsen, Thüringen).

Der Berliner Politologe Oskar Niedermayer sieht diese Gefahr jedoch noch nicht: "Pegida ist keine Massenbewegung", sagt er zum Standard. Stark sei sie nur in Dresden, dem Gründungsort. Sachsen gilt als das konservativste ostdeutsche Bundesland, auch die rechtsextreme Szene ist dort sehr stark. Nachdem die ersten Pegida-Demonstranten im Herbst von vielen rasch in die rechte Ecke gedrängt wurden, stellte sich ein "Solidarisierungseffekt" ein. Niedermayer: "Es marschieren nicht nur Rechtsextreme mit, sondern auch viele Bürger, die einfach Angst haben. Sie beschäftigen sich selbst nicht viel mit dem Islam, hören aber immer wieder, dass Gräueltaten im Namen dieser Religion erfolgen."

Politischer Arm

Ob die AfD der parlamentarische Arm Pegidas werden könnte, ist offen. Zwar sympathisiert ein Teil der Führung mit Pegida. Das Treffen eingefädelt hat AfD-Co-Chefin Frauke Petry, die in Sachsen die Fraktion anführt. AfD-Vize Peter Gauland lobte nach dem Anschlag: "Vor diesem Hintergrund erhalten die Forderungen von Pegida besondere Aktualität und Gewicht. All diejenigen, die bisher die Sorgen vieler Menschen vor einer drohenden Gefahr durch den Islamismus ignoriert oder verlacht haben, werden durch diese Bluttat Lügen gestraft."

Doch AfD-Gründer und Co-Chef Bernd bremst. Der Ökonom will das AfD-Profil mit dem Eurothema schärfen. Derzeit tobt ein erbitterter Machtkampf, der wohl Ende Jänner beim Parteitag entschieden wird. Vorher marschiert Pegida noch dreimal. (Birgit Baumann aus Berlin, DER STANDARD, 10.1.2015)