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Der Romanautor Salman Rushdie lieferte in den "Satanischen Versen" das berühmteste Beispiel für eine Islam-Abrechung. Er musste sich jahrelang verstecken.

Foto: REUTERS/Athar Hussain

Vor wenigen Tagen hat der Großmufti von Saudi-Arabien, ein direkter Nachkomme von Muhammad Ibn Abdulwahhab (nach dem die Bezeichnung Wahhabismus abgeleitet ist), die Feiern anlässlich des Geburtstags des Propheten Muhammad als häretischen Aberglauben verdammt. Verehren darf man ihn also nicht, den islamischen Propheten - der Volksislam tut das natürlich trotzdem -, denn der Koran spricht ihm ausdrücklich jede übernatürliche Fähigkeit ab. Aber wenn man sich über ihn lustig macht, so ist das eine tiefe Kränkung.

Der Widerspruch ist für Nichtmuslime schwer aufzulösen. Muhammad wird in der Tradition als moralisch und physisch perfekt imaginiert, manchmal mit Reinheitsmetaphern wie jenen, dass er bereits beschnitten geboren ist oder die Erde seine Exkremente verschlang (die unbefleckte Empfängnis lässt grüßen). Also doch mehr als ein normaler Mensch: ein "perfekter Mensch". Das Aussehen und Handeln Muhammads wird früh als nachahmenswert empfohlen, schon von Theologen wie Ghazali (gestorben 1111) bis zu den Details, dass man den rechten vor dem linken Schuh anzieht.

Der Fall Rushdie

Das macht ihn zum perfekten Objekt für die "Parodia sacra", von außen wie im Fall von "Charlie Hebdo" - mit Zeichnungen wird außerdem das Abbildungsverbot gebrochen -, aber auch für jene Muslime, die mit ihrer Tradition abrechnen wollen. Der berühmteste Fall ist natürlich Salman Rushdie, in dessen "Satanischen Versen" neben vielen anderen Motiven auch das Nachahmungsgebot aufgegriffen wird: Sogar das Furzen und Hinternputzen sei reglementiert, wird da gejammert.

Der arabische Übersetzer der "Satanischen Verse", der syrische Philosoph Sadik J. al-Azm, sieht Rushdie in einer literarischen Traditionsreihe der religiösen Dissidenz mit dem Renaissanceautor François Rabelais bis hin zu James Joyce und dessen jahrelang verbotenem "Ulysses". Rabelais' in der ersten Hälfte des 16. Jahrhundert erschienenes mehrbändiges Werk "Gargantua und Pantagruel" ist streckenweise eine heftige Religionsparodie - und deftig ist sie auch, denn das Tabu der im Schatten des Sakralen stehenden Sexualität muss natürlich ebenfalls gebrochen werden, will man sein religiöses Über-Ich zertrümmern. In den "Satanischen Versen" ist der Befreiungsschlag das geheime Bordell in Mekka namens "Hijab", in dem der satirische Dichter Baal sich vor dem Propheten versteckt und sich an diesem symbolisch rächt, indem er mit den Huren die Prophetenfamilie nachstellt.

Die Fatwa

Nachdem der Roman anfangs noch völlig unaufgeregt rezipiert worden war, brachte eine verdammende Fatwa Ayatollah Khomeinis 1989 Rushdie ein jahrelanges Leben im Untergrund ein, obwohl sie von keiner anderen islamischen Institution bestätigt wurde.

Religiöse Satire hat in der islamischen Welt eine lange Tradition - und es gibt sie bis heute. Allerdings vergreift sie sich in der Regel nicht an den Glaubensinhalten, sondern an deren - unwürdigen - Vertretern und an den Einfältigen, die ihnen auf den Leim gehen. Wenn die Religiösen im Staat mitspielen, bekommen die Attacken - etwa in der Show des ägyptischen Komikers Bassem Youssef - schnell eine politische Dimension, wobei man dazusagen muss, dass nicht die beißende Kritik Youssefs an den Muslimbrüdern seiner Sendung El-Bernameg das Genick gebrochen hat, sondern jene am ägyptischen Mini-Nasser Abdelfattah al-Sisi.

Natürlich sind Witze über den Klerus oft ein Umweg für Religionsattacken. Wenn sie so unglaubwürdig sind, wie kann echt sein, was sie predigen? Der persische Dichter Suzani (zwölftes Jahrhundert), bekannt für seine phallischen Oden, hinterließ etwa ein Gedicht über den "Imam von Ghazna", der sein kurzes Leben Knabenhintern widmet, was ihm Allah nicht weiter verübelt (wobei Homoerotik in der persischen Poesie gang und gäbe ist).

Aber wie gesagt, Muhammad durch den Kakao zu ziehen ist noch einmal etwas anderes. Auch er selbst war da intolerant, wobei er bei der Ermordung des Poeten und der Poetin Abu Afak und Asma bint Marwan, die er laut der von Muslimen anerkannten Biografie von Ibn Ishaq befohlen haben soll, eher als Politiker agierte: Ihre Gedichte attackierten ihn als Dahergelaufenen, der kein glaubwürdiger Führer sein könne. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 9.1.2015)