Wien - Dass Österreich seine wertvollsten Naturgebiete unter strengeren Schutz stellen müsste, war schon vor mehr als 20 Jahren bekannt: "Die Bundesländer sind ja dabeigesessen, als der EU-Beitritt verhandelt worden ist", erinnert sich Franz Maier, der seit November Präsident des Umweltdachverbands UWD ist im STANDARD-Gespräch.

Nach dem EU-Beitritt hätten sich aber viele Verantwortliche davor gedrückt, alle nach dem europäischen Naturschutzprogramm "Natura 2000" als schützenswert klassifizierte Gebiete auch wirklich unter Schutz zu stellen. "Und das in dem Wissen, dass das letztlich unumgänglich ist, weil das eine Verpflichtung aus dem Europarecht ist, wo es keinen Spielraum gibt."

EU forderte Nachnominierung, Tirol blieb säumig

Maier konstatiert im Naturschutz ein "Beispiel für ein Staatsversagen - da kann der Umweltminister sagen, was er will -, die Länder tun, was sie wollen, und das ist nicht unbedingt das, was der Minister will." Dieses Pingpongspiel gehöre beendet - und zwar durch eine Verfassungsänderung, die Naturschutzbelange lokalen politischen Kleingeldwechseln entzieht. Konkret nennt Maier etwa ein Naturjuwel, das wegen international bekannter Schutzwürdigkeit auf die "Natura 2000"-Liste gehört: die Isel in Osttirol. Das Land Tirol ist hier wegen lokaler Interessen säumig und hat auch die bis Dezember 2014 gesetzte Frist für Nachnominierungen nicht genutzt.

Wie der STANDARD in der Vorwoche berichtet hat, hat der vom Umweltbundesamt im Auftrag der EU erstellte "Artikel 17" -Naturschutzbericht schwere Mängel im Erhaltungszustand des österreichischen Naturerbes und Verletzungen der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH) der EU aufgezeigt. Maier: "Das sind Fakten, die ja nicht durch die Brille irgendwelcher NGOs betrachtet wurden, da sind Experten in offiziellem Auftrag zu dieser Bewertung gekommen."

Bundesregierung beschloss Strategie

Auf Bundesebene ist dies bekannt und als wichtig erkannt worden, sagt der UWD-Präsident und verweist auf die im Oktober vom Ministerrat verabschiedete "Biodiversitätsstrategie Österreich 2020+". Darin wird als geplante Maßnahme festgehalten: "Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen zur Gewährleistung eines 'günstigen Erhaltungszustands' für die FFH-Schutzgüter der Agrarlandschaft und der Wälder". Der Umwelt- und Landwirtschaftsminister könne dies aber nur umsetzen, wenn der Naturschutz in die Kompetenz des Bundes übergeführt würde. Denn gegenüber der EU, die europaweite Standards vorgibt, haftet die Republik und nicht die Länder.

Derzeit schützt aufgrund der Verfassungslage jedes Bundesland die Natur auf Grundlage eigener - nicht immer miteinander kompatibler - Gesetze.

Nach Ansicht der Umweltschutzorganisationen wäre es deutlich effizienter und auch billiger, wenn ein Bundesnaturschutzgesetz zumindest den Rahmen vorgeben könnte - die Umsetzung passiere ohnehin vor Ort. (Conrad Seidl, DER STANDARD, 10.1.2015)