Wien - Für Egon Kapellari heißt es weiter: Bitte warten! Sein Rücktrittsgesuch als Bischof der Diözese Graz-Seckau hat er 2011, wie es laut Kirchenrecht anlässlich des 75. Geburtstag vorgesehen ist, gestellt. Kommenden Montag wird Kapellari 79 Jahre alt - und ist immer noch im Amt. Ein Warten, das zehrt: "Ich wünsche mir, dass meine Aufgabe hier nicht mehr verlängert wird, ich hoffe, es dauert maximal noch ein paar Monate", hat Kapellari noch im März 2013 zu Protokoll gegeben.
Seine Hoffnung, der Grazer Weihbischof Franz Lackner könnte nachrücken, hatten sich vergangenes Jahr zerschlagen. Lackner wurde Salzburger Erzbischof. Zwar kursieren längst andere Namen, etwa jene des St. Pöltner Weihbischofs Anton Leichtfried oder des Grazer "Künstlerpfarrers" Hermann Glettler, an der Situation ändert das nichts. Derzeitiger Stand: Nachfolger weiterhin unbekannt.
Kein schwieriges Terrain
Ist Graz denn eine heikle kirchliche Zone? Nein, sagt Rainer Bucher, Pastoraltheologe an der Uni Graz: "Von ihrer pastoralen und kommunikativen Situation her ist die Diözese sicher kein außergewöhnlich schwieriges Terrain."
Die langwierige Personalsuche ist auch kein österreichisches Spezifikum. "Zum einen werden über Gutachten umfängliche Informationen aus dem Umfeld möglicher Kandidaten eingeholt, zum anderen ist der Lauf der kurialen Dinge tatsächlich offenkundig ziemlich langsam, und drittens kippen manchmal Vorschlagslisten aus den unterschiedlichsten Gründen", sagt Bucher. Erschwerend kommt hinzu, dass "Kapellari zu den führungsstarken, hochgebildeten Bischöfen gehört, die schwer ersetzbar sind", wie Jan-Heiner Tück, Vorstand des Instituts für Systematische Theologie an der Uni Wien, meint. Deshalb werde "eine Verzögerung in Rom offenbar als nicht so schlimm erachtet". Momentan würden "sich weltweit zirka 500 Bischofsernennungen in der Warteschleife befinden".
Guter Ruf zählt
Oder fehlt schlicht geeignetes Personal? "Sicher wird man zumindest für die deutschsprachigen Länder sagen können, dass die Personaldecke enger wird. Es braucht hier Kandidaten, die gerade in Krisenzeiten nicht nur Orientierung im Glauben geben, sondern auch führungsstark sind. Da wird mit dem wachsenden Priestermangel auch die Auswahl an qualifizierten Kandidaten kleiner", sagt Tück. Bucher glaubt das nicht, wenn - wie er einschränkt - "man, was zu wünschen wäre, auch erfahrene und innovative Praktiker aus der Seelsorge miteinbezieht".
Wer als Bischof eine Diözese leitet, muss laut geltendem Kirchenrecht fünf Kriterien erfüllen: Er braucht einen festen Glauben, einen guten Ruf, er muss über 35 Jahre alt sein, mindestens fünf Jahre Priester sein und den Doktorgrad oder ein Lizenziat in Theologie erworben haben. "Die Prüfung des Persönlichkeitsprofils, der Führungskompetenzen, der ortskirchlichen Akzeptanz, aber auch der Sicherheit im Glauben braucht offensichtlich Zeit", meint Tück.
Mehrere Problemfelder
Die Grazer Diözese ist längst nicht das einzige Problemfeld in Österreich. Zwei andere Diözesen und die Militärseelsorge suchen neue Bischöfe. Der mittlerweile 70-jährige Militärbischof Christian Werner hat im Oktober des Vorjahres aus gesundheitlichen Gründen seinen Rücktritt beim Papst eingereicht. Nachfolger unbekannt. Gleiches gilt für Linz und St. Pölten. In beiden Diözesen werden die Bischöfe heuer 75 Jahre alt.
Der oberösterreichische, Ludwig Schwarz, hat seinen Rücktritt bereits bekanntgegeben. Wie aus Kreisen aus dem Linzer Bischofshof zu erfahren ist, freut er sich schon auf die Pension. Ein Indiz ist, dass er für das Jahr 2015 keine Pfarrvisitationstermine mehr angenommen hat. Schwarz konnte in seiner Amtszeit in der Diözese nie richtig Fuß fassen. Die Schuhe des beliebten Volksbischofs Maximilian Aichern waren ihm zu groß. Als möglicher Nachfolger gilt Manfred Scheuer, Oberösterreicher und derzeit Bischof in Tirol. Dagegen spricht, dass dies bloß eine Loch-auf-Loch-zu-Lösung wäre. Gleiches würde bei einer Rochade in die Steiermark gelten. Oder etwa Bischofsvikar Johann Hintermaier?
Papst allein entscheidet
In St. Pölten regiert Klaus Küng. Der frühere Feldkircher Bischof war als Krisenfeuerwehrmann gekommen, um Kurt Krenn aufs Altenteil zu schicken und die im Chaos versunkene Diözese auf Kurs zu bringen. Unter anderem hatten homosexuelle Beziehungen im Priesterseminar für einen Skandal gesorgt. Wer Küng folgt? Der Papst allein entscheidet.
Das gehört geändert, findet Pastoraltheologe Bucher. Seines Erachtens "braucht es eine größere Mitwirkung der Ortskirche". Konkrete Vorschläge gebe es seit längerem. Bucher verweist auf eine Möglichkeit, die an der Grazer Fakultät im Jahr 2000 entwickelt worden ist. Demnach bliebe die eigentliche Bestellung eines Diözesanbischofs dem Papst vorbehalten, "dieser allerdings bindet sich in seiner konkreten Auswahl an eine gereihte Dreierliste einer diözesanen Wahlversammlung, der neben dem bisherigen Bischof das Domkapitel, die Mitglieder des Priesterrats, des Pastoralrats, die Dechanten, Vertreter und Vertreterinnen des Diözesanrats, der wichtigsten Laienorganisationen und der Ordensgemeinschaften angehören". Dies juristisch genauer auszugestalten wäre nicht schwer, meint Bucher. Wird mehr als früher auf die Stimme der Ortskirche gehört? "Bislang sehe ich das nicht", sagt Bucher.
Jan-Heiner Tück sieht zumindest informelle Bemühungen. Papst Franziskus lege "Wert darauf, dass die Ortskirchen mitbeteiligt werden". Die Konsultationsprozesse seien wichtiger geworden. Dies sei auch erfolgt, um kirchenpolitische Pannen zu vermeiden. Als Beispiel nennt er die Ernennung von Bischof Kurt Krenn. (Peter Mayr, Markus Rohrhofer, DER STANDARD, 10.1.2015)