"Profil" hatte kaum von Michael Spindeleggers Glück berichtet, gute Chancen auf einen Posten in der EU-Kommission zu haben, als die "Kronen Zeitung" den lange erwarteten Wechsel unter Quellenangabe und versehen mit einem dreispaltigen Foto des Glückspilzes auf Seite 3 nachdruckte. Spindelegger wird nicht darben müssen, schlich sich dabei ein Schuss Häme ein, als ob Hungern zu den Pflichten eines gewesenen Politikers gehörte. Spindelegger lebt derzeit mit seiner Familie in Luxemburg, wo seine Gattin Margit beim Europäischen Rechnungshof arbeitet, versäumte "Profil" nicht zu erinnern, um zu zeigen, wie wichtig das Aufwärmen in der rauen Luft des Großherzogtums ist, wenn Österreich zu klein wird. Die ÖVP nicht koordinieren zu können heißt noch lange nicht, dass sich einem der Posten eines "Koordinators für die Donauraum-Strategie der EU" nicht naturwüchsig aufdränge.

Die "Krone" hatte weniger das enger Familiäre im Blick, frönte vielmehr einem erweiterten Familienbegriff. Auf 20.000 Euro brutto im Monat - und damit auf das Doppelte des künftigen Donauraumpflegers - kommt übrigens Ex-ÖVP-Vizekanzler Molterer als Vizepräsident der Europäischen Investitionsbank. Auch er hatte zuvor in der Innenpolitik keine Bäume ausgerissen. Diese Tätigkeit setzt er zum Wohle Europas in der EU-Bank fort - Raiffeisen kann nicht alles schlucken, was die ÖVP ausscheidet. Aber dass gleiche Leistung in Österreich in der EU so ungleich honoriert wird, ist schon ein wenig ungerecht.

Beim eingangs erwähnten Thema blieb man auch in der "Presse", musste sich aber mehr anstrengen, weil man sich im Nachfolge-Faymann-Spiel auf weniger harte Fakten berufen konnte, dies aber umso ausufernder betrieb. Dem Titel in der Montagausgabe Christian Kern in den Spuren des Kanzlers stand der Bildtext unter dem Porträt des Spurensuchers gegenüber: ÖBB-Chef Christian Kern dementierte Ambitionen auf die Faymann-Nachfolge. Leserin und Leser hätten sich also ein klares Bild machen können, hätte der Autor nicht die Diskrepanz verrätselt, statt sie zu beseitigen. Werner Faymanns Sozialdemokraten starten ganz in der Defensive ins neue Jahr. ÖBB-Chef Christian Kern, als künftiger SPÖ-Obmann gehandelt, wählt hingegen dieselbe Medienstrategie, die man von Faymann gewohnt ist.

In der Defensive ins neue Jahr zu starten ist bitter genug, dann aber auch noch ganz - das hält die beste Sozialdemokratie nicht aus! Dass der als künftiger SPÖ-Obmann Gehandelte dieselbe Medienstrategie, die man von Faymann gewohnt ist, nicht nur wählt, sondern hingegen wählt, lässt tief blicken, nur leider nicht ganz so tief wie "Die Presse" es suggerieren wollte. Schließlich handelte es sich noch immer nicht um mehr als einen für die Feiertage aufgewärmten, mehrere Wochen alten Tratsch.

Warum das bemerkenswert ist? stellte sich der Autor, vielleicht in einem Moment der Verunsicherung, die Frage. Um in einem Atemzug auf etwas zu kommen, das längst nicht mehr bemerkenswert ist. So fiel auf, dass Kern ausgerechnet das Boulevardblatt "Österreich" am Weihnachtstag nützte, um Ambitionen in Abrede zu stellen, und nicht nur das: Nun warben Kerns Bundesbahnen mit einer entgeltlichen Einschaltung auf einer Doppelseite dieser Postille für den "Fahrplan ins neue Jahr".

Es lässt sich nicht länger bestreiten: "Die Presse" ist einer teuflischen Verschwörung auf der Spur. Obwohl sich wohl sämtliche Medien, darunter auch "Die Presse", um eine persönliche Stellungnahme Kerns bemüht hatten, nützte der, ganz in den Spuren Faymanns, den Weihnachtstag und "Österreich", um zu beteuern, dass er nicht daran denke, in den Spuren Faymanns zu wandeln. Hätte er das in der "Presse" getan, hätte sie es ihm auch nicht geglaubt, aber in "Österreich" - da kann es nur unwahr sein. Beweis: Kern wählte damit für die Bekräftigung seines Dementis jenen publizistischen Weg, den auch Bundeskanzler Faymann besonders häufig beschreitet. Wer so auf Kanzlers Spuren wandelt, muss es selber werden! Und Österreich muss einer "Presse" dankbar sein, die ihm die Augen öffnet - ganz.

Da konnte die "Krone" einfach nicht mit, obwohl sie Sonntag Numerologen, Astrologin und Hellseherin aufbot, und doch zum Thema Entsorgung lediglich erfuhr: Unsere Koalitionsregierung schrammt nur knapp am Bruch vorbei. (Günter Traxler, DER STANDARD, 10./11.1.2015)