Sylvester Levay, Komponist der Musicals "Elisabeth" und "Mozart!", lebt mit seiner Frau Monika und seinem 670 Kilo schweren Konzertflügel in einer Mietwohnung im Schloss Schönbrunn. Wojciech Czaja bekam Audienz.

"Das Schloss Schönbrunn ist eine weltbekannte Sehenswürdigkeit. Da schwingen Historie, Atmosphäre und Grandezza mit. Es war im Sommer 1998, als wir nach getaner Arbeit eine Führung durchs Schloss bekommen haben. Nachts um elf sind wir durch die Gemächer, Korridore und Stiegenhäuser marschiert, und plötzlich waren da diese Wohnungstüren mit Türmatten und haufenweise Schuhen davor. Ja wohnen hier denn auch Menschen? Wir hätten uns nie gedacht, dass es hier auch ganz normale Mietwohnungen gibt. Aber ja, so ist es. Als wir dann einige Wochen später einen Anruf erhalten haben, ob wir denn an so einer Wohnung Interesse hätten, mussten wir einfach zuschlagen.

Beim Komponieren an seinem Konzertflügel macht Sylvester Levay das Fenster auf. Das "ftsch ftsch ftsch" der Jogger im Kies darunter gehört für ihn mittlerweile zum Alltag.
Foto: Lisi Specht

Ja, es ist wahr, wir haben eine Mietwohnung im Schloss Schönbrunn. Insgesamt gibt es im Hauptgebäude und in den umliegenden Bauwerken an die 150 Wohnungen, die man mieten kann. Die meisten davon werden schon seit Kaisers Zeiten von einer Generation an die nächste weitergegeben. Immer wieder passiert es, dass ein Mietvertrag gekündigt wird. Unsere Wohnung hat knapp 160 Quadratmeter, aufgeteilt auf zwei riesige Zimmer beziehungsweise Salons. Das Gute daran: Es gibt genügend Platz für meinen 670 Kilogramm schweren Konzertflügel Bösendorfer Imperial.

Wenn ich komponiere, mache ich morgens das Fenster auf und blicke hinauf zur Gloriette. Was für ein Ausblick! Schon ab sechs, halb sieben morgens hört man die Jogger durch den Kies stapfen. Da macht es die ganze Zeit ftsch, ftsch, ftsch. Anfangs musste ich mich an dieses Geräusch gewöhnen . Mittlerweile fehlt es mir, wenn ich es nicht höre. Das gehört hier zum Alltag. Es inspiriert mich auch beim Komponieren.

Natürlich muss man beim Wohnen auf so einen geschichtswürdigen Ort Rücksicht nehmen. Irgendwas reinstellen? Das geht hier nicht. Aber es macht Spaß, sich inspirieren zu lassen und sich ganz genau zu überlegen, was für diese Räumlichkeiten zuträglich ist. Zu den wichtigsten Gegenständen zählen sicher die großen Spiegel, die wir auf Auktionen ergattert haben. Die Räume sind nicht besonders hell. Durch die Spiegel kann man ein bisschen Tageslicht einfangen. Die restlichen Möbel sind ein Mix aus Jugendstil, Jahrhundertwende und Empire. Das Kaiserliche schlägt schon ab und zu durch.

Alles in allem ist es eine enorme Bereicherung, mit der Geschichte wohnen zu dürfen - auch wenn man sich im Alltag ein bisschen anpassen muss. Sich mit vollen Billa-Sackerln gegen den Strom durchzuboxen ist nicht sehr angenehm. Wir schauen darauf, dass wir unsere Einkäufe in den Abendstunden erledigen. Auch das Ankommen und Wegfahren mit all den Koffern ist eine witzige, mitunter stressige Angelegenheit, wenn man sich mit Sack und Pack durch die Menschenmassen zwängt. Aber was soll's? Auch wir sind ganz normale Menschen mit Koffern und Taschen.

Vor dem Schloss finden regelmäßig Weihnachts- und Ostermärkte statt. Rund um Silvester gibt es Punschhütten, Maronistandln und irgendwelche Häuschen mit Lebkuchen. Wenn man dieser Kultur nicht gewogen ist, dann sollte man sich auch nicht an so einer Adresse niederlassen. Aber wir mögen das. Ab und zu gehen wir runter auf ein Gläschen Glühwein oder kaufen uns ein Glas Honig beim Bioimker.

Das ist es, was wir unter städtischem Leben verstehen. In gewisser Weise liegt das Schloss Schönbrunn mitten im Geschehen. Wenn wir Großstadt wollen, dann sind wir hier in Wien, dann fühlen wir uns hier am besten. Ansonsten wohnen wir in Niederbayern, in der Nähe von Landshut. Was für eine Lebenskombination!" (DER STANDARD, 10.1.2015)