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Fettleibigkeit kann zu Ausgrenzung und psychischen Folgeerkrankungen führen.

Foto: dpa/Fredrik von Erichsen

Die Vorurteile, Abwertung, soziale Ausgrenzung und Diskriminierung, die Menschen aufgrund ihrer Adipositas erleben, wirken wie chronische Stressoren. Die psychische Belastung durch diese Stigmatisierung kann zu Depressionen, Angststörungen und oft sogar zu weiterer Gewichtszunahme führen. Das Integrierte Forschungs- und Behandlungszentrum Adipositaserkrankungen (IFB) in Leipzig untersuchte anhand von vorliegenden Studien die Mechanismen dahinter. Die Ergebnisse erschienen kürzlich im Fachjournal "Obesity".

Starke Stigmatisierung

Die Forscher analysierten 46 wissenschaftliche Studien, die den Zusammenhang zwischen der Stigmatisierung von stark übergewichtigen Menschen mit psychischen Belastungen untersuchten. "Viele Risikofaktoren für psychische Erkrankungen sind bei Menschen mit Adipositas stark ausgeprägt - auch aufgrund ihrer Stigmatisierung", sagt Studienleiterin Claudia Sikorski.

Vor allem das in den Studien beschriebene herabgesetzte Selbstwertgefühl gilt als ein großer Risikofaktor für psychische Leiden wie Depressionen und Angststörungen. Angelehnt an einem Erklärungsansatz der Columbia Universität zu den Auswirkungen von Stigmatisierung bei homosexuellen Menschen entwickelte Sikorski ein Modell zur größeren Anfälligkeit adipöser Patienten für psychische Erkrankungen.

Schlechtere Selbstwahrnehmung

Die Betroffenen hätten ein vermindertes Selbstwertgefühl und eine verminderte Fähigkeit zur Problembewältigung (Coping). Dazu kämen weitere Risikofaktoren wie die negative Selbstwahrnehmung, vermehrte Einsamkeit und der Mangel an sozialer Unterstützung. Krankhaft übergewichtige Männer und Frauen nehmen außerdem das negative Fremdbild, das sich durch die Stigmatisierung zeigt, als Selbstbild an.

Experten sprechen von einem internalisierten Stigma oder Selbststigma, sich zu einem Teufelskreis aus Stigmatisierung, mehr sozialem Rückzug, weiterer Zunahme des Gewichts und folglich immer stärkerer Stigmatisierung führen kann. Dazu kommt häufig noch die Erfahrung von Benachteiligung und Diskriminierung im sozialen und Berufsleben. Gerade bei Gewichtsreduktionsprogramm sei aber das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und Kräfte unabdingbar, denn die Therapie der Adipositas erfordere mehr als andere Erkrankungen Engagement und Motivation des Patienten.

Teufelskreis durchbrechen

Sikorski sucht nach therapeutischen Ansätzen, wie dieser Teufelskreis durchbrochen werden kann. "Für eine verbesserte Adipositastherapie ist unsere Arbeit wichtig, weil wir nicht darauf vertrauen können, dass sich die gesellschaftliche Wahrnehmung von Menschen mit Adipositas in absehbarer Zeit verbessert. Deshalb sollten wir den Betroffenen Mittel und Wege zum Umgang mit Stigmatisierung aufzeigen", sagt Wissenschafterin.

In einer Folgestudie befragt Sikorskis Team in Kooperation mit dem forsa-Meinungsforschungsinstitut rund 1.000 Erwachsene mit Adipositas zu ihren Erfahrungen mit Stigmatisierung und ihrem Umgang damit. Dies soll helfen, besser zu verstehen, wie Stigmatisierung erlebt wird, wie sie ihre negative Wirkung entfaltet und wie die Betroffenen damit umgehen können. (red, derStandard.at, 9.1.2015)