Paris/Wien - Der Polizist liegt schon verletzt und wehrlos auf dem Gehsteig vor dem Redaktionsgebäude von "Charlie Hebdo". Einer der beiden Attentäter stürmt auf ihn zu und schießt ihm in den Kopf.

Fernsehsender zeigten das Amateurvideo, aufgenommen von einem Dach gegenüber. Journalisten verlinkten etwa auf Twitter dorthin. Und Zeitungen – von der "International New York Times" bis zur "Krone" und "Österreich" – brachten das Standbild von der Ermordung auf der Titelseite. Medienethisch vertretbar und gerechtfertigt?

Deutscher Anwalt: Darstellung "verboten"

Heftig wurden die Bilder etwa in Deutschland diskutiert; die Berliner "tageszeitung" zitierte einen deutschen Medienanwalt mit den Worten: "Gewaltdarstellungen wie die Tötung des Polizisten in dem 'Charlie Hebdo'-Video sind verboten."

"Grenzfall"

Die Kommunikationswisssenschafter Matthias Karmasin von der Akademie der Wissenschaften und Fritz Hausjell von Uni Wien sehen in den Bildern einen "Grenzfall". Grundsätzlich gehe es medienethisch um die Fragen des Persönlichkeitsschutzes und der Menschenwürde des Opfers und seiner Angehörigen. Der Polizist sei auf den Bildern nicht erkennbar, sagt Karmasin auf Anfrage des STANDARD. Das Foto sei weder voyeuristisch noch manipuliert: "Das Bild zeigt, wie Terroristen ihr grausiges Geschäft verrichten." Es müsse grundsätzlich möglich sein, auch "das Abstoßende, Widerwärtige zu zeigen".

Kriegsberichterstattung

Die Debatte über die Zulässigkeit von Bildern werde vor allem nach Maßstäben politischer Berichterstattung geführt, sagt Karmasin: "Ich denke, man muss wirklich langsam in Kategorien der Kriegsberichterstattung denken und nicht in solchen des politischen Journalismus."

Auch Hausjell sieht eine Rechtfertigung dafür, "zu zeigen, wie brutal die Täter vorgehen". Nach einem kurzen Moment aber sagt er: "Ich denke, dass die Öffentlichkeit die Bilder nicht gebraucht hätte, um sich die Brutalität vorzustellen." Die Vorgänge zu beschreiben hätte wohl gereicht, sagt er. (red, DER STANDARD, 9.1.2015)