Wettbewerbswidrige Zigaretten: In vielen österreichischen Lokalen würden die herrschenden Anti-Raucher-Bestimmungen ignoriert, meint eine neue Interessengemeinschaft.

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Wien - Bei Thomas Wagner, dem Betriebsleiter des Golden Harp Irish Pub in Wien-Erdberg, löste das Schreiben des Wiener Handelsgerichts von vergangenem September wenig Freude aus. Auf acht Seiten setzte ihm Richterin Maria-Charlotte Mautner-Markhof darin auseinander, dass er in seinem beliebten Speise-, Trink- und Veranstaltungslokal gegen den Nichtraucherschutz verstoße. Dadurch betreibe er unlauteren Wettbewerb.

Lokalaugenschein

Konkret hatte die Richterin bei einem Lokalaugenschein in dem "weitläufigen, sehr gemütlich und geschmackvoll gestalteten" Pub einen großen, vielfrequentierten Hauptraum samt Bar für Raucher vorgefunden. Nichtrauchern hingegen stand nur ein kleines, abgetrenntes und wenig benutztes Zimmer zur Verfügung. Dies, so die einstweilige Verfügung, sei eine dem Tabakgesetz zuwiderlaufende Aufteilung, mit dem sich das Golden Harp einen Wettbewerbsvorteil gegenüber gesetzestreuen Mitbewerbern bei rauchenden Gästen verschaffe. Denn sie hätten es in dem Lokal besonders bequem.

Diesen Zustand musste Wagner abstellen. Sollte er der einstweiligen Verfügung keine Folge leisten, drohten ihm Beugestrafen, für die laut Gesetz ein Rahmen von bis zu 100.000 Euro existiert.

Angst vor Umsatzminus

"Zuerst habe ich das ganze Pub zum Nichtraucherlokal erklärt. Doch 14 Tage später hatte sich mein Umsatz halbiert. Also musste ich umbauen, sodass jetzt ein großer Nichtraucher- und ein kleinerer Raucherbereich existieren. Kostenpunkt: 20.000 Euro!", ereifert sich der Betriebsleiter. Er ist strikt gegen ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie, wie es nach dem Lungenkrebstod des Journalisten Kurt Kuch immer eindeutiger befürwortet zu werden scheint. Ein solches würde in Wien für "ein Drittel der Lokale das Aus bedeuten", zeigt er sich im Standard-Gespräch überzeugt.

Das sieht Peter Tappler, Vorsitzender der "Interessengemeinschaft für fairen Wettbewerb in der Gastronomie", anders. Der Zusammenschluss von derzeit zwölf Wiener Lokalbesitzern, mehrere davon aus der Naschmarktgegend, sowie rund 15 Einzelpersonen tritt mehrheitlich für ein generelles Rauchverbot in heimischen Lokalen ein.

Erste einstweilige Verfügung

Die Interessengemeinschaft hat die Klage gegen das Golden Harp vor dem Handelsgericht initiiert. Der von ihr beauftragte Anwalt Bernhard Tonninger hat in Wien so die erste einstweilige Verfügung wegen Verstoßes gegen den Nichtraucherschutz erwirkt.

In Kontakt mit Tappler und Mitstreitern kam der renommierte Wettbewerbsrechtler 2010, als er in einem "Presse"-Artikel die Möglichkeit aufzeigte, "vergleichsweise rasch einstweilige Verfügungen gegen Inhaber jener Lokale zu erwirken, die sich weiterhin über die Rauchverbote hinwegsetzen".

Politischer Änderungsdruck

Auf diese Art könne politisch Änderungsdruck aufgebaut werden, meinte auch Tappler, der im Zivilberuf Experte für Innenraumanalytik ist. Um auf die "Absurditäten der österreichischen Nichtraucherbestimmungen" hinzuweisen, müsse deren derzeit großflächiger Missachtung in der Gastronomie der Kampf angesagt werden.

Und zwar möglichst effektiv. Also nicht, wie es bisher etwa selbsternannte Rauchsheriffs taten, mittels Anzeigen laut Tabakgesetz. Die, so Tappler, seien "langwierig und zahnlos". Anders das Wettbewerbsrecht mit seinen beträchtlichen Beugestrafen-Androhungen. "Nach der einstweiligen Verfügung gegen das Erdberger Pub haben wir in Wien-Josefstadt zwei weitere Lokale kontaktiert, die gegen den Nichtraucherschutz verstießen", schildert Tappler. Allein die Ankündigung einer Handelsgerichtsklage habe beide Beislbetreiber zu schriftlichen Zusagen rascher Änderungen bewogen. (Irene Brickner, DER STANDARD, 9.1.2015)