In einem Interview mit der Austria Presse-Agentur antwortete Bundespräsident Heinz Fischer unlängst auf die Frage nach dem König-Abdullah-Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog (KAICIID), er halte die Entscheidung, "ein solches Dialogzentrum der verschiedenen Religionen in Wien zu errichten", nach wie vor für richtig.

Nichts gegen ein Dialogzentrum, aber warum muss ein solches ausgerechnet den Namen des saudischen Königs tragen und von Saudi-Arabien finanziert werden, einem Land, das nicht gerade für Toleranz und Religionsfreiheit bekannt ist. Im Gegenteil.

Im Königreich sind sämtliche Symbole anderer Religionen verboten, schon das Einführen einer Bibel ist strafbar, Juden erhalten keine Einreiseerlaubnis. Im vergangenen Jahr wurden mindestens 83 Menschen öffentlich hingerichtet, üblicherweise nach dem Freitagsgebet - auch wenn Frau Bandion-Ortner, Vizegeneralsekretärin des KAICIID, uns unlängst versicherte, dass dies nicht jeden Freitag geschehe. Die Todesstrafe ist in Saudi-Arabien für eine ganze Reihe von Delikten vorgesehen, darunter Hexerei, Homosexualität und Apostasie. Atheisten gelten nach dem neuen saudischen Sicherheitsgesetz als Terroristen.

Dutzende Menschen sitzen wegen "Beleidigung des Islam" in Haft. Darunter der Menschenrechtsaktivist und Blogger Raif Badawi, der im September 2014 zu zehn Jahren Haft, 1000 Peitschenhieben und einer Geldstrafe von rund 200.000 Euro verurteilt wurde. Seine Frau konnte mit den drei Kindern nach Kanada fliehen, wo sie Asyl erhielt.

Am 13. Jänner feiert Raif Badawi seinen 30. Geburtstag. Dieser Tag ist sein 964. Tag in Haft. Weil er vor kurzem in ein Vollzugsgefängnis verlegt wurde, befürchten Beobachter die Exekution der Prügelstrafe ab kommendem Freitag. Diese soll mit jeweils 50 Hieben an 20 aufeinanderfolgenden Freitagen ausgeführt werden, jeweils nach dem Freitagsgebet auf dem Platz vor der Al-Jafali-Moschee in Dschidda.

1000 Peitschenhiebe werden bleibende körperliche Schäden hinterlassen. Raif Badawis Tat? Er betrieb eine liberale Website, auf der offen über Fragen der Religion diskutiert wurde. Dort schrieb er von der prinzipiellen Gleichwertigkeit von Muslimen, Juden, Christen und Atheisten.

In Anbetracht dessen ist die Aussage des Bundespräsidenten mehr als irritierend. Warum braucht ein Dialogzentrum, in dessen Gründungspräambel "die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankerten Ziele und Prinzipien", insbesondere das Recht auf Meinungs-, Gewissens- und Religionsfreiheit, bestätigt werden, einen Vertragspartner, der die Behauptung der Gleichwertigkeit aller Menschen unter Strafe stellt und die diversen UN-Menschenrechtspakte bis heute nicht anerkannt hat?

Der Bundespräsident eines demokratischen Rechtsstaats sollte sich für Menschen wie Raif Badawi einsetzen, die für Menschenrechte und das friedliche und gleichberechtigte Zusammenleben aller Menschen kämpfen und dafür einen hohen Preis zu zahlen bereit sind, statt für ein Zentrum, das den Namen des saudischen Königs trägt. (Heiko Heinisch, DER STANDARD, 9.1.2015)