Der Anschlag auf das Pariser Satiremagazin "Charlie Hebdo" beschäftigt viele Schüler und Schülerinnen, berichtet Bundesschulsprecher Lukas Faymann im Gespräch mit dem STANDARD. Ob das Thema im Unterricht behandelt wird, hänge vom Wohlwollen der Lehrer ab. Oftmals fehle der Rahmen, um über Tagesaktuelles zu sprechen. Im Gespräch mit dem STANDARD fordert Faymann daher die Einführung des Fachs Politische Bildung ab der siebenten Schulstufe. Prinzipiell würden die Geschehnisse einmal mehr zeigen, dass Politik "uns alle" betreffe. Umso wichtiger wäre es laut Faymann, dass Politische Bildung ein Pflichtfach an Schulen wird.

Platz für Freiräume

Dass die Auseinandersetzung mit derartigen Vorfällen oft vom Wohlwollen der Lehrer abhängt, bedauert auch Elisabeth Rosenberger, Vorsitzende des Verbands der Elternvereine an mittleren und höheren Schulen. In einzelnen Fächern werde es bestimmt Möglichkeiten geben, sich damit zu beschäftigen. Andererseits stünden viele Lehrer gerade in Schularbeits- und Maturafächern unter Druck, den vorgegebenen Stoff abzuarbeiten. In Schulen müssten deshalb Freiräume geschaffen werden, die die intensive Beschäftigung mit solchen Themen ermöglichen. Rosenberger wünscht sich hierfür ein eigenes Fach Ethikunterricht.

Eigene Meinung entwickeln

"In Schulen gibt es vielfältige Strategien, sich mit den aktuellen Vorfällen in Paris auseinanderzusetzen", sagt Patricia Hladschik, Leiterin des Zentrums "Polis – Politik lernen in der Schule" am Ludwig-Boltzmann-Institut für Menschenrechte in Wien.

Wichtig sei für Pädagogen, die Grundsätze der politischen Bildung zu berücksichtigen. Lehrer dürften Schülerinnen und Schüler nicht "überwältigen", vielmehr müsse es möglich sein, dass Schüler ihre eigene Meinung zum Thema entwickeln. Es sei wichtig, die Grundwerte der Demokratie darzustellen, das dürfe jedoch nicht im Sinne eines Überrumpelns oder eines Erzwingens von erwünschten Meinungen geschehen. Das "Überwältigungsverbot" habe auch in diesem Zusammenhang zu gelten, so Hladschik. Kontroverse Positionen müssten in ihrer Vielfältigkeit auch im Unterricht dargestellt werden.

"Auch Lehrkräfte sind politische Wesen"

Zur Frage, ob auch Lehrer und Lehrerinnen ihre eigene Meinung zu politischen Themen im Unterricht äußern sollen, sagt Hladschik: "Auch Lehrkräfte sind politische Wesen. Es macht in diesem Fall wenig Sinn, sich als neutral zu positionieren. Eine Lehrkraft darf sagen, was sie über die Vorfälle denkt, sie darf die Schüler jedoch nicht indoktrinieren." Sich zu einem Thema, das derartig viele Emotionen hochkommen lässt, neutral zu positionieren sei in der Praxis auch schwer durchführbar.

Auseinandersetzung im Unterricht

Für Hladschik wäre die Beschäftigung mit dem Thema in einigen Fächern denkbar. So könne man im Deutschunterricht Karikaturen, die dahinterstehenden Meinungen sowie das Rezeptionsverhalten analysieren. Möglich wäre, Kinder und Jugendliche selbstständig Zeitungsanalysen durchführen zu lassen. Im Zeichenunterricht könnte man die Schüler selbst Karikaturen zeichnen lassen und so das Thema auf einer künstlerischen Ebene bearbeitbar machen. Im Geschichtsunterricht könnte eine historische Perspektive eingenommen werden, ebenso wären Auseinandersetzungen über Meinungs- und Pressefreiheit denkbar. Wichtig sei eine altersgerechte Beschäftigung mit dem Thema.

Hladschik rät im Gespräch mit dem STANDARD jedoch davon ab, das Thema inhaltlich zu bearbeiten, ohne zuvor den Schülern die Möglichkeit gegeben zu haben, über ihre Emotionen zu sprechen. Legitim sei aber auch, wenn sich Lehrer aufgrund bestimmter Gruppendynamiken in der Klasse "nicht über das Thema trauen". Dann sei es ratsam, es das etwas später zu bearbeiten oder auf Kollegen und externe Unterstützung zurückzugreifen.

Wichtig ist Hladschik auch der Hinweis darauf, dass es einerseits gut und wichtig sei, anlassbezogen auf aktuelle Themen im Schulunterricht zu reagieren. "Die Stärkung politischer Kompetenzen und die Beschäftigung mit Menschenrechten und Demokratie muss aber als strukturierter, andauernder Lernprozess stattfinden", sagt Hladschik.

Heinisch-Hosek: Schulpsychologen bieten Unterstützung

Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) zeigte sich am Donnerstag schockiert angesichts des Anschlags in Paris: "Das Attentat ist ein Angriff auf die Demokratie und deren Meinungs- und Pressefreiheit. Wichtig ist, dass sich eine Demokratie dadurch nicht schwächen lässt und auch weiterhin für diese Werte eintritt und diese verteidigt."

Zum Umgang mit dem Attentat an Schulen verwies Heinisch-Hosek auf die Schulinfo, erreichbar unter der Telefonnummer 08 10/20 52 20, sowie auf Schulpsychologen, die Pädagogen Beratung und Hilfe bieten sollen. Auf schulpsychologie.at wurde ein Leitfaden über den altersgerechten Umgang mit den Attentat in Paris veröffentlicht. Darin heißt es: Die beste Hilfe bestehe im sachlichen, verständlichen, ausgewogenen Informieren und im Darüber-Reden, immer unter Berücksichtigung des Alters und der Aufnahmekapazität der Kinder und Jugendlichen. (Katrin Burgstaller, derStandard.at, 8.1.2014)