Weit draußen in Wien-Aspern wird auf überaus köstliche Weise nordindisch gekocht.

Foto: Gerhard Wasserbauer
Foto: Gerhard Wasserbauer

Wien hat neben dem Helden- auch einen Siegesplatz zu bieten. Der liegt eher nicht so prominent, nämlich am hinteren Ende von Aspern, wo die Stadt langsam in Richtung Marchfeld ausrinnt. Dem Vernehmen nach wird damit an die Schlacht von Aspern im Jahr 1809 erinnert – seither hatten wir bekanntlich nicht ganz so viel Gelegenheit, uns über Siege zu freuen. Dennoch gibt der Siegesplatz Anlass zu uneingeschränktem Frohmut, er beheimatet nämlich das vielleicht beste indische Restaurant der Stadt.

Nominell lautet die Adresse des Haveli zwar Groß-Enzersdorfer Straße 11, nachdem der Siegesplatz städtebaulich von ebendieser nicht zu unterscheiden ist, weiß aber kaum jemand außer Google, wo genau er aufhört. Ist auch nicht so wichtig, im suburbanen Raum löst sich das Konzept dessen, was Straße, was Platz ist, noch mehr auf als in der von Karlsplatz bis Schwedenplatz kaum konziser definierten Innenstadt.

Subkontinentale Farbenfreude

Das Restaurant Haveli, in dem man vergangene Woche noch in farbenfroher Weihnachtsdeko mit allerhand Blinklichtern speiste, ist auf den ersten Blick kaum von anderen Asia-Buden zu unterscheiden: Tische und Bestuhlung vom Gastroausstatter, ein paar Requisiten aus der Heimat, passt. Der Gastgarten ist eingewintert, aber mit subkontinentaler Farbenfreude über und über mit Leuchtschlangen und jahreszeitlichen Lichtfiguren dekoriert.

Irgendwie wartet man darauf, dass da jede Sekunde eine Bollywood-Tanztruppe ihren Auftritt hat – die gibt es einstweilen aber nur auf einem der zahlreichen, übers Lokal verteilten Bildschirme zu sehen. Was noch anders ist: der feingewebte Duft von Kardamom, Ingwer und Kreuzkümmel, Nelken und Koriander, der einen beim Eintreten umfängt.

Betreiber Keshar Kumar stammt aus dem nordindischen Bundesstaat Punjab, sein Neffe Jass, der den Service mit Kompetenz und verschmitzter Menschenfreundlichkeit schupft, hat es aus Afghanistan, wo er der verfolgten, nur wenige hundert Mitglieder zählenden Gruppe der Sikhs angehörte, hierher geschafft.

Elastische Knusprigkeit

Die Spinatcremesuppe, ganz frisch, leuchtend grün, ist in ihrer duftigen Zartheit eine ziemliche Offenbarung. Die Chutneys und Pickles zum Papadum-Linsenbrot am Beginn sind selbstgemacht, das Mangochutney von einer saftigen Frische, wie man es hier überhaupt nicht kennt, großartig. Batak Curry mit Ente gelingt fruchtig, cremig, unheimlich komplex im Spiel der Gewürze mit dem kräftigen Aroma des Vogels.

Butter Chicken, ein Standard der nordindischen Küche, schmeckt nicht weniger vielschichtig, die Sauce so gut, dass noch der letzte Rest mit dem elastisch-knusprigen Naan-Brot aus der Messingschüssel geholt wird. Große Empfehlung auch für Haveli Byriani mit Lamm, ein saftig-würziges Reisgericht, gegen das auch das beste unserer Reisfleische ein bissl mau wirken muss. Hier wird auf eine Art köstlich gekocht, dass sich eine Anreise aus entlegenen Bezirken lohnt – schon gar an bleigrauen Wintertagen, die man ohnehin nur übersteht, wenn einem kundig eingeheizt wird. (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 9.1.2015)