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Das Kosakenepos "Taras Bulba" fiel der ukrainischen Zensur zum Opfer. Es habe das Potenzial, nationale Interessen massiv zu schädigen, heißt es von staatlicher Seite.

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In der Ukraine sind seit November 69 russische Kinofilme und Fernsehserien verboten worden. Kulturministerium, Geheimdienst SBU und der Verband der Filmschaffenden hatten sich zuvor mit einer dementsprechenden Bitte an die staatliche Filmagentur der Ukraine gewandt, die unverzüglich zur Tat schritt und allen Werken die Vorführerlaubnis entzog.

Inhaltlich hatte diese Entscheidung nur am Rande mit den konkreten Spielfilmen zu tun, und alle verbotenen Filmen verbindet bloß ein nicht sonderlich bekannter Actiondarsteller namens Michail Poretschenkow. Der Russe hatte sich als Unterstützer der abtrünnigen "Donezker Volksrepublik" geoutet und in Donezk vor laufenden Kameras Stellungen der ukrainischen Armee beschossen. Das Innenministerium leitete ein Strafverfahren ein, die Filmagentur setzte alles, was mit dem Schauspieler zu tun hat, auf den Index.

Eine Marginalie

Kulturpolitik spielte in der krisen- wie kriegsgeschüttelten Ukraine zuletzt eine marginale Rolle - in den nächsten Jahren dürfte sich dies kaum ändern: Ambitionierte Ziele fehlen im kürzlich beschlossenen Regierungsübereinkommen, größere Projekte sind derzeit aus verständlichen Gründen nicht finanzierbar.

Gleichzeitig ließ sich in den letzten Monaten ein zunehmender Trend zur Regulierung und zum Verbot orten. Anfang Dezember installierte die neue Koalition ein "Ministerium für Informationspolitik". Neominister Jurij Stez, ein Vertrauter von Präsident Petro Poroschenko, will sich mit nur einem gegen die Ukraine gerichteten "Informationskrieg" beschäftigen. Es gelte aber auch, so sagte Stez, eine "Informationsstrategie" zu erarbeiten und umzusetzen. Was dies konkret bedeutet, blieb unklar - liberale Kritiker bezeichnen das neue Amt in Anspielung an George Orwells Roman 1984 prophylaktisch jedoch bereits als "Wahrheitsministerium".

Andere Bürokraten setzten indes auf handfeste Verbote. Nach dutzenden Poretschenkow-Filmen entzog die Filmagentur der Ukraine, die seit dem Sommer von einem ehemaligen Politiker der Rechtsaußenpartei Swoboda geleitet wird, kurz vor Weihnachten vier weiteren russischen Produktionen die Vorführerlaubnis. Betroffen sind neben zwei Actionfernsehserien die russische Beziehungskomödie Mütter-3 (2014) und Taras Bulba (2009), ein auf dem gleichnamigen Kosakenepos von Nikolaj Gogol basierender Historienfilm. "Diese Filme können durch ihren propagandistischen Charakter die nationalen Interessen massiv schädigen", begründete Filmagenturchef Pylyp Illenko.

Illenkos Beschlüsse stehen in der Tradition der umstrittenen "Nationalen Expertenkommission für Fragen der gesellschaftlichen Moral", die kürzlich ihren zehnten Geburtstag feierte. Unter dem damaligen Premierminister Wiktor Janukowitsch im November 2004 installiert, wacht dieses rechtskonservativ orientierte Beratergremium im Auftrag des Staates über die "gesellschaftliche Moral".

Patriotische Positionen

Seit dem Machtwechsel in Kiew konzentriert sich die Moralkommission auf die Auseinandersetzung mit Russland und verbreitet Analysen über "vier Stufen des antiukrainischen Informationskrieges". Aber auch patriotische Positionierungen kommen nicht zu kurz. Ende Februar erklärte das Gremium Nationalschriftsteller Taras Schewtschenko (1814-1861) offiziell zur "moralischen Autorität der Ukraine" und sein Werk zum "spirituellen Erbe" und "nationalen Heiligtum".

Mit der Verankerung einer geplanten Auflösung des Gremiums im neuen Regierungsabkommen feierten liberale Gegner der Moralberater zwar Ende November einen Zwischenerfolg. Doch Kommissionchef Kostyzkij, der im Herbst seinen Widersachern etwa vorgeworfen hatte, Solisten in einem von Wladimir Putin geleiteten "Kreml-Chor" zu sein, zeigt sich weiterhin selbstsicher: Bei einer prominent besetzten Veranstaltung in Kiew forderte er Ende Dezember das Parlament kategorisch auf, auch ein ordentliches Budget für seine Organisation sicherzustellen.

Beobachter in Kiew spekulierten indes darüber, dass die Abschaffung der umstrittenen Kommission realpolitisch nur schwer umzusetzen sein werde. Kostyzkij hatte und hat mächtige Unterstützer: Neben ukrainischen Religionsführern, die den gesellschaftspolitischen Spin der Sittenwächter teilen, hatte im Herbst Premierminister Arsenij Jazenjuk seine Unterstützung explizit zum Ausdruck gebracht. Und dies könnte sich als wichtiger als ein Punkt im Koalitionsabkommen erweisen. (Herwig G. Höller, DER STANDARD, 8.1.2015)