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Kunst- und Kulturproduktionen als essentielles Moment zur Reflexion und symbolischen Repräsentanz eines Selbstverständnisses des jeweiligen Establishments. "Dem arbeiten Kulturmanager zu, oder?", fragt Philosoph Leo Hemetsberger. Hier freut sich Hardrocker Gene Simmons beim Nova Rock-Festival 2013.

Foto: apa

Das Berufsfeld des Kulturmanagers ist heute sehr vielfältig. Immer wieder interessieren sich Menschen, die ihre Kompetenz in einem klassischen Wirtschaftszweig nach BWL-Schematisierung gewonnen haben, für die Kunst- und Kulturbereiche, wollen diese zu ihrem Tätigkeitsfeld machen.

Woraus hat sich das Kulturmanagement ursprünglich entwickelt? Spekulieren wir heute ein wenig dazu. Es dauerte ziemlich lange, bis es zur Loslösung öffentlich-kultischer Veranstaltungen aus dem religiös-politischen Kontext kam. Diese Entwicklung im Großen wirkt auch heute noch ein wenig nach. Ob sinnvoll oder nicht bleibt zu diskutieren, zu einer strikten Trennung von Kunst und Kultur einerseits und politischer Repräsentanz andererseits wird dieser Emanzipationsprozess zumindest in Österreich nicht führen, solange es das bewährte Kunstfödergesetz gibt.

Was heute als Aufgabenbereich für Kulturmanager gilt, war immer schon dort notwendig, wo Menschen zu gemeinsamen Veranstaltungen zusammen kamen um künstlerische und kulturelle Projekte zu realisieren. Irgendwer mußte das ja organisieren. Lange Zeit lag das in den Händen religiöser und politischer Autoritäten, denen die künstlerischen Handwerker aus ihren später auch zünftig organisierten Werkstätten zuarbeiteten.

Immer wiederkehrende Reflexionsprozesse zu Fragen rund um das, was der Kunst- und Kulturbetrieb sein solle und wie das zu managen wäre, führten in unserer Zeit zu einem klaren Selbstverständnis. Daran waren philosophische Diskurse nicht unbeteiligt, man denke etwa an Walter Benjamins heute schon klassischen Essay "Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit". Solche Auseinandersetzung sind nichts Neues, bereits in antiken Werken finden wir Hinweise zum Kunst- und Kulturverständnis und deren Kritik, etwa in der platonischen Politeia und mehr noch, weil positiv konnotiert bei Aristoteles, in seiner Poetik.

Platon oder freie Kunst?

Der ach so grosse athenische Denker verwarf die mimetische Dichtung radikal, weil sie seiner Ansicht nach den Staat zersetze. Er befürchtete, dass sie die Herrschaft von Lust und Unlust anstelle der der Gesetze befördere.

Eine direkte Konkurrenz zwischen Philosophie und den Künsten, vor allem dem Theater, kann nicht abgestritten werden. Dort wo das Theater direkt die Affekte ansteuert und die Zuseher ergreift, muss die Philosophie den mühsamen Weg der denkenden Reflexion beschreiten, der noch dazu oft zu unbefriedigenden weil offenen Ergebnissen führt. Im Theater dagegen gibt es Katastrophen und Katharsis, es wird geliebt und gestorben und die Zuseher sind direkt berührt. Kein Wunder, dass Platon das gestört hat, widersprach es doch seinem elitären Ansatz, gegenüber dem das Theater nur zur egalitären Volksbelustigung herabsinken konnte.

Das Theater versteht es mit seinen Mitteln der dramaturgischen Verdichtung und durch das umfassende Ansprechen der menschlichen Sinne, im Rahmen der Aufführung die gesamte Polis, jeden einzelnen Zuschauer zu ergreifen. Dagegen konnte das platonische Philosophieverständnis, als Kunst hochstrukturierter Begriffsarbeit in logischer Strenge, nur verlieren. Mit seiner Kritk griff er aber auch jene Menschen an, die sich für die Organisation, Finanzierung und Durchführung der Kulturprojekte engagierten, wobei vieles damals von den Künstlern selbst übernommen wurde.

Platonische Zensur pur

Er sieht das Heil des Staates nur als gesichert, wenn Musik und Theater auf ganz bestimmte Formen eingeschränkt werden. Damit streicht er die Bedeutung der abgelehnten Künste aber geradezu hervor. Wo er Gefahr wittert, ist somit großes Potential vorhanden. Die alten Griechen sind als Volk überliefert, für das Gesang und Tanz schon aus der kultischen Praxis wesentlich waren, sie wussten zu feiern.

Platon lehnt bestimmte Kunstformen radikal ab. Nur tragischen Inszenierungen mit streng didaktischem Konzept im Sinne seines etatistischen Konstrukts sollten erlaubt sein. Die Komödie verwirft er pauschal, weil sie nur auf die niederen Instinkte der Besucher zielt. Wie wehrt man sich gegen diesen totalitären Ansatz? Aristophanes greift in seinen Stücken zum Stilmittel der Ironie wider die verstockten Philosophen und macht sie lächerlich.

Die öffentliche Auseinandersetzung um künstlerisches Schaffen ist somit so alt, wie die Möglichkeit freier Kunst selbst. Sie muss sich immer gegen externe Bevormundungen wehren.

Komödie ist Demokratie

Gerade im Bereich der Komödie waren schon damals freiere Produktionen möglich. Öffentliche Kritik bestehender Zustände wurde publikumswirksam inszeniert. Während der demokratischen Phasen Athens blühte das Theater als Ort politischen Meinungsbildung. Erst der Makedonier Philipp II setzte diesem bunten kulturellen Treiben nach seiner Eroberung des athenischen Stadtstaates ein radikales Ende.

Wissen formt Materie

Mit Aristoteles "Poetik" ist uns einer der ersten theoretischen Text zur darstellenden Kunst und Dramaturgie überliefert. Diese spröde wirkende esoterische Arbeit diente wohl als Vorlesungsunterlage und war, im Vergleich zu anderen aristotelischen Werken, so nicht zur Veröffentlichung gedacht. Die Poetik gibt Anleitungen, wie stimmige und erfolgreiche Stücke aufgebaut sein sollen. Die Ablehnung eines deus ex machina ist legendär und auch heute noch Prüfstein zur Qualität eines Dramas. Der von Aristoteles entwickelte Begriff des Protagonisten und die zugehörigen Parameter zum richtigen Handlungsaufbau bleiben ebenfalls zeitlos.

Ist die ganze Welt Bühne?

Aristoteles gibt auch interessante Hinweise zum damaligen Theateralltag. Er berichtet von Reinfällen und Dauerbrennern. Es konnte Autoren passieren, dass ihre Produktionen sehr schnell wieder abgesetzt wurden, manche überlebten die Premiere nicht. Wir wissen nicht, ob dafür politisch-künstlerische und/oder ökonomische Kriterien ausschlaggebend waren. Erfolgreiche Stückeschreiber konnten finanziell unabhängig werden. Das ist immer noch ein Traumziel vieler Kunstschaffender.

Das ist mein Häferl

Schon damals delegierten Künstler organisatorische Bereiche ihrer Arbeit. Dies liegt in der Natur der Spezialisierung als Kulturphänomen. Wenn Phidias, seines Zeichens Bildhauer des als Weltwunder katalogisierten olympischen Zeus, in seiner Werkstatt schon den eigenen Ton-Becher beschriftet hat, zu sehen im Museum in Olympia, dann war in anderen Bereichen des künstlerischen Arbeitens Diversifikation gelebte Praxis. War das Kulturmanagement damals also so eng mit der eigentlich künstlerischen Arbeit verschränkt, dass eine Trennung gar keinen Sinn macht und sich unsere Frage nach einem Anfang des Kulturmanagements erübrigt?

Die Kunst sind wir

Kein antiker Kulturbetrieb verstand sich als selbständige Organisation, seine Verantwortlichen konnten sich in ihrer gestalterischen Freiheit bei weitem nicht so emanzipieren, wie das im heute praktizierten Intendanten-, Direktoren- und Regisseurkult manchmal gelebt wird. Damals waren Kulturmanager wie Künstler strenger in ein gesellschaftliches Gesamtgefüge eingebunden. Dass sie Autonomiegedanken hegten, lässt sich aus den Stücken herauslesen, dass ihre Produktionen beim Publikum oft sehr beliebt waren, ist dokumentiert.

Kunst- und Kulturproduktionen wurden als essentielles Moment zur Reflexion und symbolischen Repräsentanz eines Selbstverständnisses des jeweiligen Establishments wahrgenommen. Dem arbeiten Kulturmanager zu, oder? Sofern nichts Neues unter der Sonne. Unser aktueller künstlerischer Freiheitsbegriff, der sich im bildenden Bereich etwa als eigenes Dispositiv bestimmt und sich fast sakrosankt zu setzen vermag, bleibt aus damaliger Sicht sicher unverständlich.

Bruchstückhaft Bleibendes

Von neunzig Aischylos-Dramen sind sieben überliefert, die meisten Autoren anderer Stücke kennt man nur namentlich, über ihre Erfolge oder Misserfolge. Auch das nur als ein Hinweis. Wir wissen noch zu wenig darüber, wie die Veranstaltungen organisiert wurden. Dass dies bei dem Fassungsvermögen der Theater unumgänglich war, manche boten mehreren tausend Besuchern Platz, liegt auf der Hand. Musste man Eintritt bezahlen? Wie finanzierte man Produktionen?

Es gab baulich abgesetzte VIP Bereiche, aber war etwa Merchandising üblich? Wer waren die fleißigen Helfer, die wesentlich zum Gelingen beitrugen? Koordinierten nur die Verwaltungsgremien die Aufführungen, gab es öffentliche Förderungen oder Sponsoren, waren Benchmarks relevant. Wie funktionierte PR- und Öffentlichkeitsarbeit? Bekannt ist, dass es, ähnlich wie im Sport, von Mäzenen gewährte Stiftungen und Preisgelder für erfolgreiche Produktionen gegeben hat.

Warum löckst Du wider den Stachel?

Erfolgreiche Inszenierungen wurden an vielen Orten des hellenistischen Kulturraumes gespielt und gehörten zum allgemeinen Wissenskanon. Jesus und Paulus zitierten den griechischen Dramatiker Aischylos. Hier zeigt sich in wunderbarer Weise jene im konkreten Fall die jüdisch-aramäische Lokalkultur überformende Kraft darstellender Reflexion der Conditio Humana, wie sie nur das hellenistisch geprägte Theater zu leisten vermochte.

Deshalb bleibt es auch heute weiterhin interessant und spannend, nach den Grundlagen des Kulturmanagements zu forschen, weil die Ergebnisse als Spiegelbild unseres Status Quo in seiner Vielschichtigkeit dienen können. In den Bereichen Kunst und Kultur zu arbeiten bleibt auch deshalb für viele wichtig, weil neben all den Unsicherheiten und den oft prekären Verhältnissen, es als sinnvoll erlebt wird, einen Beitrag zur Reflexion unseres aktuellen Menschsein zu leisten. Dies erfüllt und bereitet großes Vergnügen. (derStandard.at, 09.01.2014)