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Diese Skulptur aus dem Jahr 303 zeigt Galerius. Der im heutigen Grenzgebiet zwischen Serbien und Bulgarien geborene Feldherr wurde 293 zum römischen Kaiser berufen. Er herrschte neben Constantius Chlorus, Maximian und Diokletian.

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Die Ausgrabungen in Gamzigrad im Osten von Serbien zeigen die Überreste des römischen Gebäudekomplexes Romuliana, der zu Ende des dritten Jahrhunderts errichtet wurde.

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Gamzigrad - Der Platz war anscheinend gut gewählt. Das heutige Gamzigrad im Osten Serbiens ist ein beliebter Kurort mit Heilbädern und heißen Quellen. Die Gemeinde verfügt jedoch noch über eine zusätzliche Attraktion. Einige hundert Meter weiter südlich, inmitten einer sanft hügeligen Landschaft, liegen die Überreste von Romuliana, einem römischen Gebäudekomplex aus der Übergangszeit zwischen drittem und viertem Jahrhundert nach Christus. Das rund 40.000 Quadratmeter große Areal wurde 2007 zum Unesco-Welterbe erklärt und gilt als einzigartige Kombination aus Palastbauten, Mausoleen, Tempeln und Festungsanlagen. Zeugnis der Grandeur eines Weltreichs.

Im 19. Jahrhundert wurden die Ruinen zwar von mehreren Forschern beschrieben, doch archäologische Ausgrabungen starteten hier erst 1953. Ab 1970 standen diese Untersuchungen unter Leitung von Dragoslav Srejovic. Er war es, der die Stätte später in internationalen Fachkreisen berühmt machte. Unter serbischen Archäologen wird Srejovic wie ein Art Nationalheld angesehen. Man ist stolz auf Romuliana und ihrer geschichtlichen Bedeutung. Der Kontext allerdings wirft einige Fragen auf.

Zu Beginn ihrer Erforschung galt die Anlage als große Villa oder Festung. Erst nach und nach entwickelten Experten die Theorie, der Komplex sei ein kaiserlicher Palast gewesen. 1984 wurde dann ein Teil eines Torbogens mit der Inschrift Romuliana gefunden. Dieser Name war bereits aus schriftlichen Quellen bekannt. Demnach hatte Kaiser Galerius Romuliana zu Ehren seiner Mutter Romula errichtet. Der imperiale Bezug galt nun als gesichert.

Die Welt indes stand derweil nicht still. Während sich Srejovic und seine Kollegen begeistert Romuliana widmeten, wurden in Serbien zunehmend nationalistische Kräfte entfesselt. Das Land war damals noch ein Teil Jugoslawiens. Mit welchen Katastrophen der Zerfall dieses Staates einherging, ist hinlänglich bekannt.

Zur Abgrenzung von den Nachbarvölkern suchten die verschiedenen ethnischen Gruppen nach Belegen für ihre eigene, einzigartige Identität. Und die Serben meinten, dabei auch in Gamzigrad fündig geworden zu sein.

Kein gewöhnlicher Imperator

Galerius war kein gewöhnlicher Imperator, wie der Historiker Filippo Carlà von der University of Exeter sagt. Der wahrscheinlich im jetzigen Grenzgebiet zwischen Serbien und Bulgarien geborene Feldherr wurde 293 zum Cäsar berufen - als einer von vier Mitgliedern der sogenannten Tetrarchie. In dieser Herrschaftsform regierten vier Kaiser gemeinsam über das Römische Reich.

Diokletian hatte 286 Maximian zu seinem gleichrangigen Mitregenten ernannt. Sieben Jahre später folgten Galerius und Constantius Chlorus. Sie waren im Verbund praktisch die Juniorpartner. Die Tetrarchie gilt vielen Experten als Reaktion auf die langandauernde Krise des Imperiums im dritten Jahrhundert. Die bis dahin oft übliche familiäre Erbfolge sei aufgegeben worden, um fähigere Köpfe an die Macht zu bringen. Eine sinnvolle Entscheidung. "Man kann immer wieder komische Söhne haben", sagt Carlà lachend.

Zentrum der Welt

Srejovic jedoch wies Galerius noch mehr Bedeutung zu. Der Archäologe organisierte 1993 in Belgrad eine wissenschaftliche Tagung und eine große Ausstellung zum Thema Romuliana. Bei diesen Veranstaltungen setzte man Galerius als Retter des Imperium Romanum in Szene. Unter seiner Herrschaft, so heißt es in einer Begleitpublikation, wurde das Territorium des heutigen Serbien zum "Zentrum der zivilisierten Welt". Sein Palast biete die schönsten Mosaiken und die wertvollsten architektonischen Zeugnisse der Epoche.

Der Kaiser wurde somit zu einem Symbol serbischer Größe hochstilisiert. Diokletian dagegen, Galerius' direkter Seniorpartner und Begründer der Tetrarchie, fand keine Erwähnung. Er wird schließlich vornehmlich mit Kroatien in Verbindung gebracht. Das Aspalathum in Split war vermutlich seine Altersresidenz.

Filippo Carlà hat die Vereinnahmung von Galerius im Dienste der serbischen Identitätsfindung genauer analysiert. Die Schwachstellen in Srejovics Argumentation sind eigentlich offenkundig, sagt der Historiker.

Zu Beginn des vierten Jahrhunderts nach Christus lebten in Galerius' mutmaßlicher Heimat keine Slawen. Diese Volksgruppe, zu der auch die Serben gehören, trat erst rund 250 Jahre später in der Region auf. Natürlich wusste Srejovic dies und hat Galerius auch nie als Serbe bezeichnet.

Späte Toleranz für Christen

Ausstellung und Schriften implizieren allerdings eine Art Kontinuität über die Jahrtausende hinweg. Galerius tat sich zudem fast während seiner gesamten Regentschaft als Christenverfolger hervor. Erst kurz vor seinem Tod im Jahr 311 erließ er ein Toleranzedikt. Serbische Nationalisten indes betonen immer wieder, welch zentrale Bedeutung das orthodoxe Christentum für ihr Volk hat.

Viel eher dürfte die Materialität, gewissermaßen die Ertastbarkeit von Romuliana, die Basis für die Verklärung des Cäsars gewesen sein. Man konnte der Welt und sich selbst etwas Imposantes vorzeigen. Eine solche Instrumentalisierung archäologischer Befunde ist jedoch kein typisch serbisches Phänomen, wie Carlà betont. "Gamzigrad ist eine Fallstudie."

Schon oft wurden Fundstätten politisch vereinnahmt - auf dem Balkan genauso wie in Italien, im Nahen Osten und anderswo. "Es geht dabei immer wieder um Autochthonie und das Recht, irgendwo zu wohnen", sagt Carlà.

Subjektiv geprägte Deutungen seien gleichwohl allgegenwärtig. "Archäologie ist wie alle anderen Geisteswissenschaften auch immer vom sozialen, kulturellen und politischen Kontext abhängig", sagt Carlà. Und auch von den persönlichen Einstellungen. "Wir müssen mehr über uns selbst reflektieren." (Kurt de Swaaf, DER STANDARD, 7.1.2015)