Man könnte meinen, es gäbe 2015 kein unsinnigeres Thema als Armbanduhren. Man könnte meinen, das Smartphone, stets griffbereit, sage mindestens genauso gut die Zeit an. Doch die nüchterne Digitalanzeige reicht nicht mehr aus. Ist ja irgendwie auch zu verstehen. Wenn alles am Digitaltropf hängt, dann besinnt man sich der Dinge, deren Akku nicht innerhalb weniger Stunden streikt, also der Dinge, die ja so schlecht nicht sein können, nachdem sie sich lange genug bewährt haben.

Wenn jetzt also die Frage nach der Uhrzeit kommt, wird wieder umständlich der Unterarm hervor genestelt und der Ärmel hoch geschoben. Doch diese Mühsal lohnt sich. Die Analoganzeige kann nämlich gerade nicht groß genug daher kommen. Allzu banal wollen diese Uhren trotzdem nicht aussehen. Deshalb haben sie mit der Pop Swatch, jenem größenwahnsinnigen wie frechen Plastik-Ungeheuer aus den Neunzigern, außer der Größe auch wenig gemein.

Die Zifferblätter, die junge Frauen gerade so gerne auf Instagram herzeigen, schauen eher wie zivilisierte Großväter-Uhren aus der Wäsche. Das Zifferblatt, dessen Durchmesser in etwa der Breite eines Mädchen-Unterarms entspricht, wirkt dabei zeitlos, brav und elegant: Keine störenden Anzeigen, Ziffern, Leuchten, Null Bling-Bling. Kurzum: Alles ist reduziert auf das Wesentliche, Zeiger und Stundenstricherl natürlich.

Besonders präsent sind diese Uhren übrigens online. Die Bilder, die von professionellen Modebloggerinnen und Instagrammerinnen um sie herum inszeniert werden? Analoge Stillleben zum Eintauchen und Wohlfühlen und Zeitanhalten, das ganze Programm eben: Strickpullover, Teetassen, Obstschalen, schmale Armbänder. Weil letztere immer feingliedriger werden, bläst sich das vollmondrunde Zifferblatt scheinbar auf Bierdeckelgröße auf, so sehen perfekte Kampagnen in der Digitalwelt aus. Wo sonst könnte der gute alte Zeitmesser jenseits des Manufaktum-Katalogs adäquat gefeiert werden?

Und das mit dem Retro hat ja sowieso Tradition. Mitte der Neunziger galt das Motto "Digital ist besser". Damals wurden die Casio-Uhren mit Digitalanzeige wiederentdeckt. Und das Armband mit einem Augenzwinkern ums Handgelenk geknipst. Ob das biedere Großvateruhren-Comeback in Wahrheit auch ironisch gemeint ist – so irgendwie? Das darf ernsthaft bezweifelt werden. (Anne Feldkamp, derStandard.at, 7.1.2015)

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