Alexis Tsipras, Chef der radikalen linken Gruppierung Syriza, im Wahlkampfmodus: Im Beisein des Athener Klerus ließ er mediengerecht am Epiphanias-Tag eine Taube fliegen.

Silvester im schicken Schweizer Winterort Gstaad und ein Essen im Palace-Hotel sind nicht gerade das, was man in der Familie eines weit links stehenden Politikers vermutet, dessen Partei sich nun anschickt, die Regierung in Griechenland zu übernehmen. Der Jahresausklang in gepflegter Atmosphäre, den sich Eliana Miliou leistete, Tochter des wirtschaftspolitischen Chefberaters von Alexis Tsipras, dem Führer der radikalen Linken, hat ein entsprechend deutliches Echo in Athen gefunden. Yiannis Milios wird bei den Wahlen in knapp drei Wochen nicht für das Parlament kandidieren.

Eine Zeitung, die den noch regierenden Konservativen von Antonis Samaras nahesteht, hatte private Fotos veröffentlicht, die Eliana Miliou auf Facebook platziert hatte. Die junge Dame, angetan mit einem bunten Partyhut zu Silvester und Kusshändchen werfend, arbeitet als gutbezahlte Anwältin einer internationalen Kanzlei in Athen. Ganz eindeutig scheint die Sache nicht. Ein Bild aus Gstaad ist auf Ende Jänner 2012 datiert, Milious Kommentare unter anderen Fotos sprechen dagegen von einer Silvesterfeier. Die Samaras-Presse suggeriert, es handle sich um den eben vergangenen Jahreswechsel.

Harte Bandagen

Die Affäre zeigt, mit welchen harten Bandagen bei der - nach Samaras' Worten - "wichtigsten Wahl seit Jahrzehnten" gekämpft wird. Sie wirft aber auch ein Licht auf die Vielschichtigkeit von Syriza, der Koalition der radikalen Linken, die in allen Umfragen führt, aber kaum Regierungserfahrung hat und moderate ebenso wie von der großen Revolution träumende Politiker vereint. Yiannis Milios - oder John Milios, wie er sich in wissenschaftlichen Publikationen nennt - ist Wirtschaftsprofessor an der Polytechnischen Universität von Athen und einer der "Realisten" um Parteichef Alexis Tsipras. Von der Richtigkeit eines Bruchs mit der bisherigen Sparpolitik ist er gleichwohl überzeugt.

"Wir sagen, dass wir nicht zahlen könnten", erklärte Milios dieser Tage gewieft die Strategie seiner Partei gegenüber Griechenlands Kreditgebern: "Wir zahlen unter Umständen nicht, weil wir verhandeln werden und sagen, dass dieses Kreditprogramm nicht tragfähig ist." Das ist nicht leicht von der Hand zu weisen. Ökonomen in Athen rechnen nun wieder vor, dass Griechenland 80 Jahre brauchte, um seinen Schuldenberg abzutragen, und dafür jedes Jahr drei Milliarden Euro Haushaltsüberschuss erwirtschaften müsste. Kein realistisches Szenario angesichts von Verarmung und Massenarbeitslosigkeit.

Tsipras sei einer der wenigen griechischen Politiker, die die Natur des Schuldenproblems verstanden hätten "und deshalb bereit sind, Wagnisse einzugehen", lobte der deutsche Ökonom Hans-Werner Sinn, Präsident des angesehenen Instituts für Wirtschaftsforschung (Ifo) in München, diese Woche. Sinn plädierte allerdings für etwas, das Tsipras und sein Wirtschaftsberater Milios erklärtermaßen nicht wollen: den Ausstieg Griechenlands aus der Eurozone.

Die Grexit-Debatte bezeichnet Syriza als "Terrorkampagne" der Nea Dimokratia, der Partei der regierenden Konservativen. Dass die EU-Kommission Griechenlands Mitgliedschaft in der Währungsunion als "unwiderruflich" bezeichnete, haben die Linken mit Zufriedenheit zur Kenntnis genommen.

Moratorium und Schnitt

Die Wirtschaftsberater von Syriza haben in der Vergangenheit eine ganze Reihe von Ideen für eine Umschichtung der Staatsschulden und eine neue Haushaltspolitik aufgelistet. Die Schuldenrückzahlung solle sich grundsätzlich am Wachstum der griechischen Wirtschaft orientieren und nicht länger am Primärüberschuss, so heißt es, dem Haushaltsplus auf dem Papier vor Zahlung von Zinsen für Anleihen.

Syriza will mit den Kreditgebern aus der EU und dem IWF auch ein Moratorium für den Schuldendienst aushandeln. Die so erreichten Ersparnisse würden dann für Maßnahmen zum Wirtschaftswachstum ausgegeben. "Keine neuen Defizite", versichern die Linken von Syriza.

Yiannis Milios, der seine Tochter zum Studieren auf das King's College in London schickte, will eine ausgeglichene Haushaltspolitik, aber eine, "die die Last auf jene legt, die zahlen können". Auf die von der Presse veröffentlichten Gstaad-Fotos seiner Tochter reagierte er wütend. Er nannte sie auf Twitter "vulgäre politische Werbung im Namen meines Kindes". (Markus Bernath aus Athen, DER STANDARD, 7.1.2015)