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Die Darstellungen im Science-Fiction-Blockbuster "Jurassic Park" prägen bis heute die Vorstellung von Dinosauriern. Im Bild: Parkbesucher beobachten einen Apatosaurus.

Foto: Universal / Mary Evans / picturedesk.com

Wien - The Big Bang Theory - vor einigen Jahren wurde damit eine physikalische Hypothese zur Entstehung des Universums assoziiert, verbunden mit Namen von Physikern wie Albert Einstein und Stephen Hawking. Doch seit 2007 hat sich das Bild der Big Bang Theory in der Öffentlichkeit gewandelt. Nun werden damit wohl eher Leonard, Sheldon und Penny in Verbindung gebracht - die Charaktere einer US-amerikanischen Sitcom, die Leben und Leiden hochbegabter Physiker am California Institute of Technology in kurzweiliges Unterhaltungsformat bringt, mit guten Zuseherquoten weltweit.

The Big Bang Theory ist ein Beispiel von vielen, die zeigen, wie populäre Auseinandersetzungen mit wissenschaftlichen Inhalten Rezeption und Verständnis von Wissenschaft in der Bevölkerung prägen. Joachim Allgaier arbeitet seit einigen Jahren in Sachen Beziehung zwischen Wissenschaft und Popkultur. Bisher wurde diese noch wenig erforscht, "obwohl wir davon ausgehen müssen, dass das Verständnis von Wissenschaft stark durch Spielfilme, Serien, Spiele, Comics und Musik beeinflusst wird", sagt der an der Uni Klagenfurt tätige Soziologe.

In Europa wird die Liaison von Wissenschaft und Popkultur oft kritisch beäugt - das wissenschaftliche Streben nach Erkenntnis und Wahrheit wird durch von Unterhaltungslust angetriebener Spekulation in Gefahr gesehen. Wissenschafter in den USA haben die Bedeutung von populären Formaten hingegen bereits erkannt, sagt Allgaier.

"Bei der National Academy of Sciences und vielen anderen wissenschaftlichen Institutionen in den USA gibt es Programme, wo die Wissenschafter aktiv auf die Unterhaltungsindustrie zugehen und Experten anbieten - etwa bei der Erstellung von Skripten", sagt Allgaier. Gerade im Bereich von Fernsehserien mit medizinischem Inhalt gibt es derzeit daran großen Bedarf. Um Wunderheilermethoden und pseudowissenschaftliche Vorstellungen nicht noch mehr in der amerikanischen Bevölkerung zu popularisieren, werden die Drehbücher der Serien von Medizinern auf ihren wissenschaftlichen Inhalt durchgecheckt.

Blockbuster der Physik

Eine der aufwändigsten populärkulturellen Auseinandersetzungen mit wissenschaftlichen Fragen des vergangenen Jahres war die Hollywoodproduktion Interstellar. Jahre bevor Regisseur Christopher Nolan sich dem Projekt widmete, arbeitete der Astrophysiker Kip Thorne mit der Produzentin Lynda Obst an der Vision "eines Blockbusters, der von Beginn an auf wahrer Wissenschaft basiert", schreibt Thorne in The Science of Interstellar.

Dass ein Planet wie der im Film als möglicher Umzugsort für Erdbewohner gehandelte Millers Planet tatsächlich existieren könnte, erweist sich dabei als "Truth". Wie es möglich sein könnte, dass auf diesem Planeten eine Stunde sieben Erdenjahren entspricht, bereitete Thorne allerdings Kopfzerbrechen. Mit einigen Berechnungen nach Einsteins Relativitätstheorie fand er heraus, dass Millers Planet sich sehr nahe an einem schwarzen Loch befinden und dieses wiederum extrem schnell rotieren müsste - was zwar nicht unbedingt wahrscheinlich, aber möglich ist.

Wurmlöcher, Riesenechsen, Beamen - die Populärkultur scheint von wissenschaftlichen Techniken und Phänomenen derart durchdrungen, dass sie kaum ohne diese denkbar erscheint. Allgaier meint den Moment genau ausmachen zu können, als die populäre Auseinandersetzung mit Wissenschaft einsetzte: Star Trek.

Bemerkenswert an der Science-Fiction-Serie, die erstmals vor 50 Jahren ausgestrahlt wurde, findet Allgaier vor allem die Tatsache, dass die Autoren wissenschaftliche Einwände ernst genommen haben. So wurde die Kritik von Physikern, dass Werner Heisenbergs Formeln der Vorstellung des Beamens in Star Trek widersprechen, mit der Einführung eines sogenannten "Heisenberg-Kompensators" beantwortet.

Wenn die Wissenschaft nicht nur zur Unterhaltung genutzt, sondern auch inhaltlich ernst genommen wird, biete die popkulturelle Auseinandersetzung Chancen für die Wissenschaft, sagt Allgaier. Popkulturelle Formate könnten helfen, um die Begeisterung für Wissenschaft in der Bevölkerung zu steigern, oder auch im Unterricht zum Einsatz kommen. Er nennt das Musikvideo Meet the Elements der Gruppe They Might Be Giants als positives Beispiel: Mit Textzeilen wie "Balloons are full of helium, and so is every star. Stars are mostly hydrogen, which may someday fill your car", gepaart mit eingängigen Melodien, werden die Elemente des Periodensystems zum Inhalt eines Musikclips. "Jedem Chemielehrer muss dabei das Herz aufgehen", sagt Allgaier. Auch Computerspiele mit seriösem Hintergrund, sogenannte "Serious Games", könnten Kindern quasi en passant ein wissenschaftliches Grundverständnis vermitteln.

Prägende Bildsprache

Außerdem sei die Übersetzung von Wissenschaft in populäre Formate wichtig, um sich gegen unwissenschaftliche Theorien durchzusetzen, meint Allgaier. Dass sich wissenschaftsfeindliche Vorstellungen wie der Kreationismus, der die Evolutionstheorie leugnet, behaupten können, habe auch damit zu tun, dass sie populäre Formate wie Comics oftmals viel professioneller einsetzen als die Wissenschafter selbst.

In manchen Fällen prägt die Auseinandersetzung mit der Popkultur nicht nur das Verständnis des wissenschaftsfernen Publikums, sondern auch das der Wissenschafter selbst. Jurassic Park ist ein Beispiel dafür. Seit die Dinosaurier in den 1990er-Jahren ins Kino kamen, prägt die Bildsprache der Filme die Darstellung von Dinosauriern - in der Öffentlichkeit und der Wissenschaft.

Allgaier berichtet von einem Paläontologen, der sich mit seiner Theorie durchsetzen konnte, weil sich das Filmteam auf seine Hypothesen stützte. Die professionellen Darstellungen von Jurassic Park, die er bei seinen Vorträgen zeigen konnte, haben seine Kollegen überzeugt. Die in Jurassic Park vertretene These, dass die Dinosaurier von Vögeln abstammen, heizte die Diskussion darüber auch in der Fachwelt neu an. Mit entsprechender Aufregung wird derzeit - auch unter Paläontologen - diskutiert, dass die Neuaufnahme in 3-D Jurassic World, die heuer in die Kinos kommt, nicht mit dem aktuellen Stand der Forschung Schritt hält.

Noch weiter hat den Wissensstand dagegen Interstellar getrieben - zumindest dann, wenn man Thorne glaubt: Um die Annäherung an das Schwarze Loch zu visualisieren, stellte er Berechnungen an, die anschließend in den Computercode für die Erzeugung der Imax-Bilder übersetzt wurden. Thorne bezeichnet die Filmclips als "experimentelle Daten" für ihn: "Sie enthüllen Einsichten, auf die ich ohne diese Simulationen nie gekommen wäre."

Doch nicht in allem, wo Wurmloch oder Urknall darauf steht, ist auch seriöse Physik drinnen. Manchmal werde mit Fachvokabular achtlos umgegangen, "dann muss man sich fragen, was daran noch wissenschaftlich sein soll", sagt Allgaier. So kann die popkulturelle Vereinnahmung auch falsche Vorstellungen fördern.

Es mit der Physik nicht allzu ernst zu nehmen, lautete auch ein Vorwurf, den sich The Big Bang Theory zunächst gefallen lassen musste. Mittlerweile begleitet ein wissenschaftlicher Blog die Serie. Auf http://thebigblogtheory.wordpress.com erklärt der Physiker und Berater der Serie David Saltzberg die Wissenschaft hinter der Big Bang Theory. Und dabei fallen neben Leonard, Sheldon und Penny auch wieder Namen wie Einstein und Hawking. (Tanja Traxler, DER STANDARD, 7.1.2015)