Wien - Caritas-Präsident Michael Landau fordert eine "Steuerreform, von der die Ärmsten substanziell profitieren". Im Interview mit der APA lädt er die Verhandler der Reformgruppe ein, eine ihrer Runden "in der 'Gruft' oder in einem der Mutter-Kind-Häuser abzuhalten". Konkrete Vorschläge zu Steuermaßnahmen gibt es von Landau zwar nicht, dennoch wünscht er sich mehr Balance zwischen Arm und Reich.

Für den Caritas-Präsidenten wäre die Obdachloseneinrichtung "Gruft" ein geeigneter Ort, eine Steuerreform auszuhandeln. "Dort säße man mit jenen am Verhandlungstisch, die von dieser Reform profitieren müssen, also mit Niedrigst- und Geringstverdienern", meint er. Rund 110.000 warme Mahlzeiten, also 400 pro Tag, seien in der Einrichtung der Caritas im vergangenen Jahr ausgegeben worden, vor zehn Jahren seien es 72.000 im Jahr gewesen. Landau: "Das ist ein trauriger Rekord."

Druck steigt

Nach Landaus Erfahrung steigt der Druck an den Rändern der Gesellschaft immer mehr, "auf der anderen Seite sind die österreichischen Millionäre so reich wie nie zuvor", gibt er zu bedenken. "Das heißt, die Steuerreform wird zum sozialem Lackmustest für diese Bundesregierung werden", erwartet er sich nun. "Dass diese Regierung Rettungspakete für Banken schnürt, hat sie in den vergangenen Jahren bewiesen. Ob sie genügend Rettungsringe für die schwächsten der Gesellschaft auswirft, wird sie unter Beweis stellen müssen."

"Reichtum ist wie Mist: Auf einem Haufen stinkt er, gut verteilt wird er Österreich zum Blühen bringen", findet der Caritas-Präsident, will aber keinen konkreten Vorstoß, etwa in Richtung Vermögensteuern machen. "Wir sind als Caritas Armutsexperten, nicht Steuerexperten. Ich glaube, dass es um eine Balance gehen muss", meint er lediglich. Man müsse "stärker von den Aufgaben ausgehen", etwa in den Bereichen Pflege, Gesundheit und Bildung. Dazu hätten alle Gruppen ihren "gerechten Beitrag" zu leisten. Mit Neiddebatten komme man nicht weiter.

Mehr Investitionen würde Landau gerne auch bei einem weiteren, derzeit politisch diskutierten Thema sehen - der Hospiz- und Palliativversorgung. Er erwartet sich nach Abschluss der derzeit laufenden parlamentarischen Enquete einen Rechtsanspruch auf diese Leistungen und eine gemeinsame Finanzierung durch Bund, Land und Sozialversicherungsträger. "Es darf nicht an Geld oder am Wohnort scheitern, dass Menschen die Betreuung und Begleitung am Ende ihres Lebens erhalten, die sie brauchen", merkt er an.

Dass der Hospiz- und Palliativbereich zu einem großen Bereich aus Zuwendungen finanziert wird, findet Landau absurd. "Niemand käme auf die Idee, für die medizinische Behandlung eines Beinbruchs Spenden zu sammeln." Die ursprüngliche Forderung aus Teilen der ÖVP, das Verbot der aktiven Sterbehilfe verfassungsrechtlich zu verankern, sieht er differenziert. "Ich habe zur Kenntnis genommen, dass es sich hier um eine komplexe juristische Frage handelt, deren Erörterung viel Zeit braucht. Die Menschen, mit denen wir jeden Tag zu tun haben, haben diese Zeit nicht."

Leichterer Zugang zu Staatsbürgerschaft

Caritas-Präsident Landau wünscht sich einen erleichterten Zugang zur Österreichischen Staatsbürgerschaft und Verbesserungen bei der Doppelstaatsbürgerschaft. Immer mehr Menschen, die schon lange in Österreich leben, seien von demokratischen Prozessen ausgeschlossen, kritisierte er. Vom Innenministerium fordert er einen strategischen Plan für das Asylwesen ein.

"Das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht ist eines der strengsten in Europa", bemerkt Landau, "Menschen, die in Österreich geboren und hier aufgewachsen sind, sollen sich hier auch zu Hause und damit als vollwertige Bürger dieses Landes fühlen dürfen". Dass etliche Menschen, die seit vielen Jahren in Österreich leben, nicht wählen dürfen, hält der Caritas-Präsident für "fatal". Er will zumindest die Voraussetzung einer generellen Aufenthaltsdauer von zehn Jahren auf acht Jahre reduzieren. Bei der Doppelstaatsbürgerschaft sieht er das deutsche Modell als Vorbild, diese sollte als "Bereicherung" gelten.

Sorgen macht sich Landau weiterhin über das Schicksal der vielen Kriegsflüchtlinge, die derzeit aus den weltweiten Krisenregionen nach Österreich gelangen: "Ich appelliere an die Innenministerin (Johanna Mikl-Leitner, ÖVP, Anm.), einen entsprechenden strategischen Plan vorzulegen, wie hier eine längerfristige Absicherung aussehen soll." Die Versorgung sei nach wie vor eine Kernaufgabe des Staates, betont der Caritas-Präsident, der weiterhin auch mehr Engagement vonseiten der Länder und Kommunen einfordert. "Ein Asylgipfel alleine schafft noch keinen einzigen Platz", meint er im Rückblick auf die letzte Einigung der Länder zur Erfüllung der Quoten.

Gutes Klima

Das Gesprächsklima mit dem Innenministerium bezeichnet Landau trotz einiger öffentlich ausgetragener Differenzen als gut und professionell. "Ich glaube, dass es immer dann schwierig wird wenn die Versuchung da ist, die eigenen Aufgaben abzuschieben", meint er aber. "Grundsätzlich fand ich es doch irritierend, dass Mitglieder ein und derselben Bundesregierung nicht mit einem gemeinsamen Vorschlag auftreten, sondern sich öffentlich die Aufgabe zuschieben, als wäre es eine heiße Kartoffel."

Versäumnisse von kirchlicher Seite sieht er nicht: "Würden in der Frage alle Akteure so viel leisten wie Caritas, Diakonie, andere Hilfsorganisationen und die Kirchen, wäre die aktuelle Situation nicht nur bereits gelöst, diese Herbergsuche hätte überhaupt nicht stattfinden müssen. Wer die Geschichte anschaut, der weiß, dass in akuten Situationen auch die Pfarrgemeinden immer zur Verfügung stehen. Wenn man sich aber die Zahlen anschaut, dann scheint es sich heute hier um ein herbeiverwaltetes Problem zu handeln."

Im Blick auf das europäische Jahr der Entwicklung erwartet sich der Caritas-Präsident eine gesetzliche Verankerung der Entwicklungszusammenarbeit, "so dass diese nicht mehr in die Ermessensausgaben fällt". Landau wünscht sich einen Stufenplan zur verbindlichen Verankerung des Ziels von 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für die EZA. "Österreich muss hier endlich zu einer wirklichen Schubumkehr finden", meint er. Der erst im Dezember erfolgte Stopp der Kürzungen der bilateralen EZA ist für ihn ein "wichtiger Schritt". (APA, 6.1.2015)