Der obdachlose Mann starb in der U-Bahn-Station Volkstheater.

Foto: Wiener Linien/Johannes Zinner

Im Fall des obdachlosen Mannes, der in der U-Bahn-Station Volkstheater an Herzversagen gestorben war, hat die Staatsanwaltschaft Wien eine Obduktion angeordnet. In den nächsten Tagen soll das Ergebnis vorliegen, sagt Polizeisprecher Patrick Maierhofer zu derStandard.at. Fünf Stunden lang lag der Verstorbene in einem Aufzug, Passanten stiegen über ihn hinweg, niemand drückte den Notrufknopf in der Kabine. Sollte die Obduktion ergeben, dass dem Mann noch hätte geholfen werden können, so wird das Landeskriminalamt Wien weiter ermitteln. Laut Maierhofer würde dann nach den Passanten gefahndet werden.

Unterlassene Hilfeleistung ist in Österreich strafbar, wird aber kaum vor Gericht gebracht, weiß Chefarzt Wolfgang Schreiber vom Roten Kreuz. Für ihn ist es keine Ausrede, dass man sich vor einem Menschen ekelt oder Angst hat, etwas falsch zu machen. "Zumindest an der Schulter rütteln und fragen, ob jemand Hilfe braucht, sollte man in so einem Fall", sagt Schreiber.

Appell an Bevölkerung

Dem stimmt auch Klaus Schwertner zu, Geschäftsführer der Caritas der Erzdiözese Wien: "Ich habe noch nie gehört, dass ein Obdachloser jemanden angepöbelt hätte, wenn man ihm freundlich Hilfe angeboten hat." Aus eigener Erfahrung weiß er, dass vor allem in Großstädten die Menschen die eigene Verantwortung ignorieren. "Erst wenn die erste Person hingeht, bieten die anderen ihre Hilfe an", sagt Schwertner. Sein Appell an die Bevölkerung: "Macht Erste-Hilfe-Kurse, ruft lieber einmal zu oft die Rettung oder das Kältetelefon an. Geht nicht vorbei, seht hin, auch wenn es euch graust."

Das Kältetelefon ist eine Einrichtung der Caritas Wien, die rund um die Uhr angerufen werden kann, wenn man einen Obdachlosen sieht, der Hilfe benötigen könnte. Sozialarbeiter der Gruft gehen den Hinweisen aus der Bevölkerung anschließend nach. "Im vergangenen Jahr haben wir so von einer Frau erfahren, die auch im Winter allein im Wienerwald gelebt hat", erzählt Schwertner. Insgesamt 509 Anrufe hat es in diesem Winter seit dem 1. November bereits gegeben. Das sind fast doppelt so viele wie im Vorjahr.

Notfallknopf drücken

Die Angst, etwas falsch zu machen, wollen auch die Wiener Linien ihren Fahrgästen nehmen. Pressesprecher Michael Unger versichert, dass "niemand bestraft wird, wenn er den Notfallknopf drückt, weil er sich nicht sicher ist". Nach Drücken des Knopfes wird man direkt mit der Leitstelle der Verkehrsbetriebe verbunden und erhält Hilfe. Das wird durchschnittlich 50 Mal pro Tag in den U-Bahn-Stationen gemacht. Ein Drittel davon sind wirklich Notfälle.

"Auch bei erster Hilfe wird man nicht alleingelassen", sagt Rotkreuz-Arzt Schreiber. Telefoniert man mit dem Notruf 144, so erhält man genaue Anweisungen, was zu tun ist. Dennoch plädiert der Chefarzt für mehr Erste-Hilfe-Kurse. "Im Moment sind nur sechs Stunden in der Fahrschule verpflichtend", sagt er. Das Rote Kreuz geht deshalb gemeinsam mit anderen Rettungsorganisationen in Schulen und betreibt in Wien ein Pilotprojekt in den dritten Volksschulklassen. Denn je öfter man erste Hilfe üben würde, umso kompetenter könnte man auf einen Notfall reagieren, sagt Schreiber und fügt hinzu: "Wirklich kritische Fälle kommen aber selbst für Rettungssanitäter selten vor." Meistens würde es reichen, wenn man mit den Betroffenen spricht und den Notruf wählt. (Bianca Blei, derStandard.at, 5.1.2014)