Schauspielerin Susanne Wuest: Bluse von Isabell de Hillerin, Tank top aus "Ich seh Ich seh", Rock Burberry, Ringe Maria Black.

Foto: Joachim Baldauf

Kleid von Bottega Veneta, Tasche Louis Vuitton, Ring Margova, Kette und Armband Sabrina Dehoff, Schuhe Melvin & Hamilton, BH Blush.

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Bluse, Top und Hose von Dries Van Noten, Ring von Ina Beissner, Schuhe von Melvin & Hemilton.

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Kleid von Valentino Red, Haarreif mit Schleier von Dolce & Gabbana (beides über mytheresa.com). BH und Panty Blush, Schuhe Melvin & Hemilton, Ring Pomellato, Handschuhe Stylist's own.

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Es dürfte keine schöne Zeit gewesen sein für Susanne Wuest. Zwei Monate verbrachte sie in und rund um das einsame Haus im Waldviertel, ohne Handyempfang, ohne Internet. Am Abend weinte sie sich in ihrem Tagebuch aus, auf der einen Seite als Susanne Wuest, auf der anderen als Marie-Christin. Das ist der Name, den sie im preisgekrönten Spielfilmdebüt Ich seh Ich seh des heimischen Regieduos Veronika Franz und Severin Fiala trägt.

Darin spielt sie eine Mutter, die nach einer Schönheitsoperation wie ausgetauscht wirkt. "Ich würde das in dieser Form nicht wieder machen", sagt sie heute, eineinhalb Jahre nach dem Dreh. Die Einsamkeit, die Abgeschiedenheit, das Auf-die-Rolle-zurückgeworfen-Sein. "Es war ein Experiment: Ich wollte herausfinden, wo meine Grenzen sind."

Mittlerweile weiß sie es: Einen Tag vor Ende der Dreharbeiten war plötzlich die Stimme weg. Erst nach vier Wochen und einer intensiven logopädischen Therapie konnte sie wieder sprechen. Ein Filmdreh als Psychotour. Aber gut, schließlich spielt man ja nicht jeden Tag eine Frau, deren Verhältnis zu ihren Kindern erkaltet - und die sich dafür auf grausame Art und Weise rächen.

Blasser Teint

Ich seh Ich seh ist halb Psychothriller, halb Gruselfilm. Ein minimalistischer, sehr österreichischer Film, der von einem Festival zum nächsten gereicht wird (u. a. wurde er auch bei den Filmfestspielen in Venedig gezeigt), schon einige Preise abgeräumt hat und jetzt endlich in die heimischen Kinos kommt. Produziert wurde er von Ulrich Seidl, auch wenn der Film weitaus stärker an Michael Haneke, vor allem an dessen Schocker Funny Games erinnert. Mit dessen Hauptdarstellerin Susanne Lothar wird Susanne Wuest öfter verglichen. Das hat allerdings mehr mit ihrem Aussehen als mit ihrer Spielweise zu tun. Blasser Teint, sehniger Körper, die Augenbrauen kaum erkennbar.

Gut und böse, liebenswürdig und verschlagen, schön und hässlich liegen bei Wuest eng beieinander. Das macht sie vor allem für Filmprojekte, die sich abseits konventioneller Kategorien bewegen, interessant. Als sie vor drei Jahren eine der mordenden Krankenschwestern von Lainz in Peter Kerns Mörderschwestern spielte, dachten sich das auch Veronika Franz und Severin Fiala. Die beiden begleiteten die Dreharbeiten für eine Dokumentation über Peter Kern. "Susanne, du solltest in einem Horrorfilm spielen", sagten die beiden. "Schreibt ein Drehbuch!", konterte Wuest.

Ein Jahr später lag das fertige Skript auf dem Tisch. In die Hände nehmen und darin lesen durfte es die Schauspielerin aber nicht. "Die beiden haben mir den Inhalt des Drehbuchs erzählt, gelesen habe ich es erst zwei Tage vor Drehbeginn", erzählt Wuest. Die beiden elfjährigen Zwillingsbrüder (Lukas und Elias Schwarz), die neben Wuest die einzigen Protagonisten des Films sind, wurden unmittelbar während des Drehs angeleitet, wie es weitergehen würde. "Es wäre toll, wenn das alle Regisseure so machen würden. Man bekommt ein anderes Gefühl dafür, wohin die Reise geht."

Internationales Kino

Susanne Wuest hat bereits mit vielen Regisseuren gearbeitet. Darunter so klingende Namen wie Olivier Assayas (Carlos - Der Schakal), Götz Spielmann (Antares) oder Philip Groening (Mein Bruder Robert). Dennoch ist die in Wien und Berlin lebende Schauspielerin eine Außenseiterin des heimischen und internationalen Kinos geblieben. Jemand, der sich in einem österreichischen Autorenfilm genau so wohlfühlt wie in einer schottischen Serie und gerade von einem Engagement an einem Londoner Theater träumt. Über die Jahre hinweg habe sie gelernt, Projekte viel genauer auszusuchen.

Wenn sie Feuer gefangen hat, stürzt sich die in Wien geborene und im niederösterreichischen Triestingtal aufgewachsene Schauspielerin jedoch kopfüber ins Projekt. "Ich wusste, dass ich während der Dreharbeiten zu Ich seh Ich seh teilweise an ein Bett gefesselt würde. Darauf wollte ich körperlich vorbereitet sein."

Wuest engagierte einen Trainer, der auf Boot Camps spezialisiert ist, trainierte ihre Rücken- und Bauchmuskulatur, legte regelmäßige Ausdauerläufe ein. "Und das bei jedem Wetter." Ein Programm, das sich andere Schauspieler verordnen, wenn sie für einen Actionfilm engagiert werden.

Bei Ich seh Ich seh sind die Anforderungen in erster Linie psychischer Natur. Die Abwesenheit von Emotionen, die Regungslosigkeit, wenn die eigenen Kinder sich gegen ihre Mutter wenden. "Nach einiger Zeit ist es mir richtig schlecht gegangen", erzählt die Schauspielerin. Die karge Landschaft, der weite Himmel. Der Horror hat in diesem Film ein erkaltetes Gesicht. (Stephan Hilpold, Rondo, DER STANDARD, 9.1.2015)