Wien - Der ehemalige Bundeskanzler Franz Vranitzky stellt sich in der SPÖ-Personaldebatte hinter Parteichef Werner Faymann. Es gebe keinen Anlass zu Spekulationen, erklärte er im Ö1-"Journal zu Gast" am Samstag. Dem als möglichen Faymann-Nachfolger gehandelten ÖBB-Chef Christian Kern will er - anders als zuletzt Nationalratspräsidentin Doris Bures - die Politikfähigkeit aber nicht absprechen.

"Sie hätten einen falschen Gesprächspartner eingeladen, wenn Sie meinen, dass ich mich an Personalspekulationen in der Sozialdemokratischen Partei beteilige", wehrte Vranitzky die Frage ab, ob er Faymann unter Druck sehe. "Der Bundeskanzler ist Vorsitzender der SPÖ, er hat die inhaltlichen politischen Vorgaben gegeben, seine Partei - die SPÖ - unterstützt ihn dabei. Und damit ist eigentlich alles gesagt", meinte der ehemalige Parteivorsitzende.

Kern nicht ungeeignet

Zu dem medial als möglichen Faymann-Nachfolger gehandelten ÖBB-Chef Kern sagte Vranitzky: "Ich sehe nicht, warum er ungeeignet sein sollte." Er sei nicht der Meinung, dass jemand, der aus einer Unternehmensführung kommt, deshalb als Politiker ungeeignet sein muss - "das haben ja mehrere Beispiele gezeigt". Und es gebe "keinen Grund, dass so etwas nicht wieder funktioniert - es gibt nur keinen Anlass dazu".

Zur Steuerreform meinte der ehemalige Parteichef, auch Vermögenszuwachssteuern wären eine taugliche Methode zur Finanzierung - man müsse sich aber genau ansehen, was diese einbringen würden. Er hoffe, dass es eine Einigung über die Reform bis zum anvisierten Zieldatum (17. März) geben werde, erklärte er - und warb mittels Vergleich zum Fußball um Geduld: "Wenn meine Mannschaft bis zur 60. Minuten kein Tor geschossen hat, dann werde ich unzufrieden und unruhig und beginne vielleicht ein bisschen zu schimpfen. Aber die 60. Minute ist nicht die 90. - und daher ist meine Hoffnung, das bis zur 90. Minute das notwendige Tor fallen wird. Ich hoffe und glaube, dass der 17. 3. die 90. Minute sein wird. Bis dahin ist noch Zeit, Tore zu erzielen." Unter Vranitzkys Kanzlerschaft wurde 1994 die allgemeine Vermögenssteuer abgeschafft.

Zu Großer Einfluss Deutschlands

Zum Thema Europa sagte Vranitzky, er halte den Einfluss Deutschlands auf die EU-Politik für zu groß. In anderen großen, aber auch in kleineren Staaten gebe es zu wenig eigenständige Europapolitik und zu wenig Kommunikation über Europathemen. "Man kann sich nicht nur hinsetzen und erwarten, die Frau Merkel wird's schon richten", sagte der Altkanzler, der Österreich 1995 in die EU führte.

Kritik übte der frühere SPÖ-Chef auch an Europas Russlandlandpolitik. "Die EU hat die aktive und konstruktive Russlandpolitik vernachlässigt", sagte Vranitzky. Dies gehöre korrigiert. (APA, 3.1.2015)