Bild nicht mehr verfügbar.

Alexis Tsipras (40) auf dem Weg ins Parlament: Noch geht der Chef des griechischen Linksbündnisses Syriza als Favorit in die Neuwahlen am 25. Jänner. Tsipras will die Kreditabkommen neu aushandeln.

Foto: EPA / ORESTIS PANAGIOTOU

Ein kleines Metallgitter, das bis zur Mitte der Gasse reicht und Platz für die Dienstwagen lässt und für zwei Wachleute, die nun gleich mehr Respekt genießen, zeugt vom wundersamen Aufstieg dieser Partei. "Syriza" steht über dem Eingang des Eckgebäudes in Psiri, dem Athener Altstadtviertel, wo eher die chinesischen Textilgroßhändler zu Hause sind.

Den alten Namen kann man auch noch lesen: Synaspismos, die "Koalition", wie die Vorläuferorganisation und größte Gruppe im Bündnis der radikalen Linken hieß. Alles ist Umbau und Prozess, und nach den griechischen Parlamentswahlen in drei Wochen könnte das Schreckgespenst der europäischen Banker und kleinen Steuerzahler schon an der Macht sein.

Finger auf die Wunde

Der erste Wahlspot ist bereits draußen: Es geht um die Aufrichtigkeit. Antonis Samaras, der amtierende konservative Premier, verspricht sie in einer Rede und liest dabei vom Blatt ab. Aber dann gibt es da noch diese ominöse E-Mail des Finanzministers an Griechenlands Kreditgeber, die bekannt wurde und die schon wieder neue Sparmaßnahmen anbietet. Syriza verlangt Aufrichtigkeit und ist die einzige Partei, die den Finger auf die Wunde legt – so soll es der griechische Zuschauer verstehen.

4,6 Prozent hat das Linksbündnis bei den Parlamentswahlen 2009 noch erhalten, kurz vor dem Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise. Knapp 30 Prozent sagen die Umfragen nun für Syriza voraus; ein paar Punkte mehr als den regierenden Konservativen von Samaras – was reicht, um als stärkste Partei den 50-Sitze-Bonus im Parlament zu bekommen.

Die Angst der Deutschen

Vor allem die deutsche Presse rührt nun die Trommel gegen die linken Sparkursgegner in Athen. 80 Milliarden Euro könne die "Griechen-Krise" die Deutschen kosten, behauptet etwa Die Welt und zeichnet das Szenario von einem Aufkündigen der Kreditabkommen und dem Austritt Griechenlands aus der Eurozone. 2,5 Milliarden Euro hätten die Griechen seit November schon von ihren Konten abgehoben aus Furcht vor der Machtübernahme der Linken, hieß es zu Silvester. Tatsächlich aber hatte die griechische Zentralbank angegeben, sie sähe keinen Zusammenhang zwischen den Geldbewegungen der vergangenen zwei Monate und den Neuwahlen, die erst am 29. Dezember feststanden.

Die Kakofonie in der Links partei macht es ihren Gegnern leicht. Ein Dutzend Kleinparteien beherbergt sie, von der trotzkistischen Hekinima über die Maoisten der KOE und der linksnationalen Dikki bis zu Synaspismos. Letztere hat schon einmal mitregiert, was auch in Griechenland viele vergessen haben: In den Übergangskabinetten vom Sommer 1989 bis zum Frühjahr 1990, als es ein Patt zwischen den beiden Großparteien Nea Dimokratia und Pasok gab, war zum Beispiel der Reformkommunist Yiannis Dragasakis Vizewirtschaftsminister. Der 67-Jährige dürfte das Finanzministerium führen, sollte Syriza tatsächlich die Regierung übernehmen.

Wirtschaftsquartett

Dragasakis gilt als Realist und führender Kopf im wirtschaftspolitischen Quartett von Syriza. Wie Dragasakis sind auch die drei anderen Ökonomen und lehren mitunter an Universitäten: Euklidis Tsakalotos, Yiannis Statakis und Yiannis Milios. Sie sollen das "Thessaloniki-Programm" von Syriza-Chef Alexis Tsipras umsetzen: Neuverhandlung der Kreditabkommen mit der Troika, neuer Schuldenschnitt, keine Privatisierungen mehr, Wiedereinstellung entlassener Beamter, Kürzungen bei Pensionen und Löhnen sollen auf längere Sicht rückgängig gemacht werden.

Im 200 Köpfe zählenden Zen tralkomitee von Syriza stellen die Euroskeptiker etwa ein Drittel. Die Mehrheit gibt sich taktisch: "Wir sagen, dass wir nicht zahlen könnten, weil wir verhandeln werden", erklärte Yiannis Milios jetzt. (Markus Bernath aus Athen, DER STANDARD, 3./4.1.2015)