Mit Gewissheit einer der entspanntesten Kinohelden des kommenden Jahres: Joaquin Phoenix als eingekiffter Privatdetektiv in Paul Thomas Andersons "Inherent Vice".

Foto: warner

Mit Spannung erwartete Filme: Miguel Gomes' Filmparabel "As 1001 Noites".

Foto: patrick mendes

J. J. Abrams' Reboot von "Star Wars".

Foto: Disney

Michael Palms Kinoessay "Cinema Futures".

Foto: Mischief Films

In Hollywood hat man den Jahreswechsel herbeigesehnt. 2014 war für die Filmindustrie kein Jahr der Freude, sondern eines, über das man ins Grübeln gerät (und aus dem man hoffentlich seine Lehren zieht): Die Box-Office-Einnahmen sanken in den USA um fünf Prozent gegenüber 2013, das schlechteste Ergebnis seit 19 Jahren. Ein Grund dafür war der miserable Sommer, der von "High Concept"-Mittelmaß dominiert wurde: Großproduktionen, die über ihre eingängige Grundprämisse nicht hinauskamen. Überraschend groß war nur der Erfolg von Guardians of the Galaxy.

Vielleicht übertraf die Nervosität rund um Seth Rogens Nordkorea-Komödie The Interview, die das Weihnachtsgeschäft bedrohte, auch deshalb die reale Gefahr. Der interessante Nebeneffekt: The Interview öffnete die Schleusen für einen schellen, großflächigen Video-on-Demand-Start, was durchaus Schule machen könnte. Für Tentpole-Produktionen, jene Megaerfolge, die ein Studio für ein Jahr absichern, bleibt dies allerdings keine Option - dafür benötigt man große Kinosäle, die erst das Spektakel gewähren. Die darauf hinproduzierten Blockbuster von 2015 wecken immerhin mehr Neugier als zuletzt: Es wird zwar auf etablierte Franchises vertraut, doch lässt die Wahl der Regisseure und manchen Casts mehr Sorgfalt vermuten. Man scheint sich qualitativ absichern zu wollen.

Am längsten warten, nämlich bis Dezember, muss man auf den Reboot von Star Wars: The Force Awakens, dem siebten Teil der Saga, den mit J. J. Abrams endlich ein Regisseur mit der richtigen popaffinen Sensibilität betreut. Abrams hat bereits Star Trek ein dynamischeres Design verliehen, ohne die Grundidee zu verraten. Ähnliches darf man sich nun von George Lucas' Sternenepos erhoffen, das die Börsenwerte von Disney jetzt schon in die Höhe treibt. Mit Mad Max: Fury Road und Terminator: Genisys (ja, mit Schwarzenegger) kehren zwei weitere Relikte aus den 1980er-Jahren ins Kino zurück. Der Regisseur von Mad Max, der Mutter aller postapokalyptischen Heldendramen, ist der alte geblieben: George Miller. In Gestalt von Tom Hardy tritt ein Charismatiker des Gegenwartskinos in die Fußstapfen von Mel Gibson, der im Fetzenlook einst berühmt wurde. Hardy ist neben Leonardo DiCaprio auch Star von The Revenant, einem Abenteuerdrama um einen Mann, der nach einer Bärenattacke sich an jenen rächen will, die ihn im Stich ließen. Regie führt Alejandro González Iñárritu, mit Birdman gegenwärtig auf Oscar-Kurs.

Hype des Fantastischen

Auch die Renaissance des Fantastischen, das mit computergenerierten Attraktionen nach immer höherer Plastizität strebt (und damit für das Kino am geeignetsten erscheint), setzt sich 2015 fort: In Tomorrowland (Regie: Brad Bird) verschafft eine Art Münze Zutritt zu einer utopischen Gegenwelt, in der sich George Clooney, glaubt man dem Trailer, am besten auszukennen scheint. Das Drehbuch kommt vom Lost-Erfinder Damon Lindelof. Joss Whedon tischt das zweite The Avengers-Spektakel auf, und mit Ant-Man, in dem Paul Rudd einen "Superhelden" verkörpert, der in Insektengröße schrumpfen kann, bietet Marvel auch gleich eine komische Alternative dazu an.

Schon im Frühjahr 2015 wird eine hochkarätige Riege an US-Filmemachern antreten, auch die Vitalität des Autorenkinos zu verteidigen. Terrence Malick (The Tree of Life) ist mit Knight of the Cups im Wettbewerb der Berlinale vertreten. Der mit Christian Bale, Natalie Portman und Cate Blanchett prominent besetzte Film ist eine Auseinandersetzung mit dem Starsystem Hollywoods - Malick meidet die Industrie bekanntlich wie der Teufel das Weihwasser. Eine zweite, noch titellose Arbeit, die im Musikermilieu von Texas spielt, könnte auf einem weiteren Großfestival folgen.

Paul Thomas Anderson (The Master) hat seine Thomas-Pynchon-Adaption Inherent Vice bereits im Herbst in New York vorgestellt, im Februar startet der Film, der sich wie schon das Buch des US-Autors nicht um geradlinige Plots schert. Joaquin Phoenix als eingekiffter Privatdetektiv auf den Spuren von "Big Lebowski" - das sollte genügen. Nach sechs Jahren meldet sich auch Michael Mann zurück, sein Thriller Blackhat verspricht den Nerv der Zeit wie kein anderer zu treffen: Chris Hemsworth verkörpert einen Hacker, der von US-Behörden aus dem Gefängnis geholt wird, um im Kampf gegen Cyberangriffe zu helfen, die auf hochsensible Einrichtungen abzielen. Wer Mann kennt, weiß, dass er solche brisanten Themen akribisch recherchiert.

Darüber hinaus kann man jetzt schon prophezeien, dass es für Filmfestivals ein dichtes Feld werden wird, aus dem sie ihre Wettbewerbe zusammenzimmern müssen. Werner Herzog hat mit Queen of the Desert eine Chronik der Abenteurerin Gertrude Bell (Nicole Kidman) gefertigt. Steven Spielberg dreht nach einem Buch der Coen-Brüder ein Spionagedrama (Arbeitstitel: St. James Place) um US-Pilot Francis Gary Powers, dessen Flugzeug 1960 abgeschossen wurde, als er damit in sowjetischen Luftraum eindrang. An seinem ersten Spielfilm seit dem Dylan-Kaleidoskop I'm Not There feilt auch Todd Haynes: Carol erzählt nach Patricia Highsmith eine lesbische Liebesgeschichte im New York der 1950er-Jahre - mit Cate Blanchett und Rooney Mara.

Von cinephilen Kreisen vielleicht am sehnsüchtigsten erwartet wird der neue Film des Portugiesen Miguel Gomes (Tabu). Die New York Times widmete dem außergewöhnlichen Projekt, dessen Dreh sich über das gesamte vergangene Jahr hinzog, bereits im August eine Geschichte. As 1001 Noites (Arabian Nights) greift die Idee der Scheherazade auf, um in aus realen Begebenheiten entworfenen Episoden das Porträt eines Landes zu entwerfen, dem Arbeitslosigkeit und Eurokrise hart zusetzen.

Auch auf Neues von zwei der gegenwärtig wichtigsten Regisseurinnen, Maren Ade und Lucrezia Martel, darf man sich freuen: Ades Toni Erdmann erzählt eine herrlich verdreht klingende Vater-Tochter-Geschichte (mit Peter Simonischek), allerdings nicht im Privaten, sondern im Umfeld von Unternehmen. Die Argentinierin Martel hat mit Zama wiederum ihren ersten Historienfilm realisiert, im Mittelpunkt steht ein spanischer Kolonialfunktionär, der sich in Lateinamerika mit der Jagd von Banditen die Zeit vertreibt.

Zukunft des Laufbilds

Was den Festivalzirkus betrifft, der sich als Öffentlichkeit neben regulären Filmreleases immer besser behauptet, ist auch den Filmen des Taiwanesen Hou Hsiao-hsien und von Cannes-Gewinner Apichatpong Weerasethakul, zwei zentralen Figuren des asiatischen Autorenkinos, die Aufmerksamkeit gewiss. Besonders stark ist laut Brancheninsidern auch das Aufgebot des rumänischen Kinos: Corneliu Porumboiu, Radu Muntean und Radu Jude werden um Festivalslots konkurrieren.

Ob Österreich seine Präsenz an dieser Stelle behauptet, bleibt noch abzuwarten. Mit neuen Filmen der Dokumentaristen Nikolaus Geyrhalter und Michael Palm sowie einer Arbeit von Daniel Hoesl (Soldate Jeannette) ist jedenfalls fix zu rechnen. Palms Cinema Futures wurde vom Österreichischen Filmmuseum in Auftrag gegeben: eine essayhafte Auseinandersetzung mit dem Status des Laufbilds im digitalen Zeitalter. Und das wird über 2015 hinaus gewiss ein Thema bleiben. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 3./4.1.2015)